1914 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Reinhard, Rudolf, Seydlitz, Ernst von, Friedrich, E., Clauß, O.
- Hrsg.: Oehlmann, Ernst
- Auflagennummer (WdK): 26
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Grundwasser und Quellen.
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Verwerfung empor und bildet eine Spaltquelle. Wird dem Wasser auf künstliche Weise durch
senkrechte Durchbohrung der überliegenden Schicht ein Ausgang nach oben verschafft, so steigt
es nach dem Gesetze der kommunizierenden Röhren in dem Bohrloch so hoch, wie der höchste Punkt
der wasserführenden Schicht gelegen ist. Bei niedrigerer Lage der Ausgangsöfsnung wird es
also sogar als Springquell erscheinen. Solchekünstlichequellennenntmanartesischebrunnen,
weil sie in Europa zuerst in der französischen Grafschaft Artois im Jahre 1126 angelegt wurden
(Fig. 384 u. Bild 285, S. 620).
Sie sind namentlich in Gegenden, die oberflächlich wasserarm oder wasserlos sind, von großer Be-
deutung. In der Sahara bestehen Artesische Brunnen seit uralten Zeiten und verwandeln Wüstenstrecken
in erttagreiches Dattelland. In China reichen einige
bis 9oo ra in die Erde hinab. In Australien sind sie
neuerdings in großer Zahl angelegt worden, um die
gewaltigen Schafherden in der Trockenzeit vor dem
Verdursten zu schützen.
Spaltquellen und Artesische Brunnen sind
auf steigende Quellen, die anderen, in Fig. 383
dargestellten absteigende.
An den Küsten von Karstländern sind Süß-
wasserquellen an und unter demmeeres-
spiegel nicht selten.
Solche liegen an der Küste Dalmatiens bis zu 7oo m unter dem Meere. Aus dem Altertum bekauut
ist die Quelle von Arethusa, die damals auf der kleinen Insel Ortygia zutage trat, jetzt aber größtenteils
daneben im Meere aufbrodelt. Bei der Hawaii-Insel Oahu hat man einige hundert untermeerische Quellen
gefunden, da hier das Niederschlagswasser unterirdisch gegen die See abfließt und der hydrostatische Druck
stark genug ist, um das Quellwasser bis an die Meeresoberfläche emporsprudeln zu lassen. Umgekehrt
kommt auch der Fall vor, daß Meerwasser in Quellen am Strand eindringt und deren Wasser versalzt. Hier-
für bieten ein berühmtes Beispiel die Meermühlen bei Argasioli, an der Westküste von Kephal-
lenia. Hier sind zwei solcher Quellen so stark, daß sie gleich nach dem Austreten Mühlen treiben.
Zahl und Wasserführung der Quellen. Die Zahl der Quellen ist in erster Linie von den
Niederschlagsverhältnissen, danach von der Bodenbeschaffenheit eines Gebietes ab-
hängig, da durch beide die Gmndwasserverhältnisse bedingt werden.
Quellenreich sind die alten kristallinischen Gebirge (Zentralalpen, Böhmer Wald, Fichtelgebirge u. a.),
trocken die Kalk- und Sandsteingebirge. Sandiger Heide- und wasserdurchlässiger Lößboden sind quellen-
arm, Steppen und Wüsten infolge der sehr geringen Niederschläge weithin quellenlos.
Die Wasserführung der Quellen ist sehr verschieden und wechselt stark mit der jahreszeitlichen
Niederschlagsverteilung. So fließen Gebirgsquellen zur Zeit der Schneeschmelze besonders stark.
Kleine Quellen versiegen in trockenen Perioden regelmäßig. Die gewaltige Wassermengen zutage
fördernden Riesenquellen und Quelltöpfe, die sich besonders in Kalkgebieten finden, sind
häufig ihrem Wesen nach nicht eigentliche Quellen, sondern die Austrittsstellen unterirdischer
Wasserläufe (s. S. 700).
Temperatur der Quellen. Man unterscheidet kalte und warme Quellen oder Thermen.
Kalt heißen die, deren Wärmegrad niedriger ist als die mittlere Jahreswärme der betreffenden
Gegend; warm solche, deren Temperatur höher ist. Absteigende Quellen sind immer kalte, auf-
steigende, wenn sie aus großer Tiefe kommen, häufig warme.
Eine höhere Wärme als die mittlere des Ursprungsortes können Quellen erst dann dauernd
aufweisen, wenn sie unterhalb der geothermischen Tiefenstufe (s. S. 667), bei uns im Nord-
deutschen Flachlande also 32,4—33,9 m tief entspringen. Die meisten, aber durchaus nicht alle
Thermen liegen in vulkanischen Gegenden.
■ Bekannte Thermen in Europa sind die Bäder auf den Liparen 97—100°, die Nerobäder bei Pozzuoli
86°, Burtscheid 78°, Karlsbad 74°, Gastein 72°, Wiesbaden 69°, Baden-Baden 67°, Ofen 61°, Aachen 55°,
Leuckerbad 51°, Teplitz 49°, Ems 48°.
384. Artesischer Brunnen.
a, c und d undurchlässige Schichten, b wasserführende
Schicht.