1909 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Seydlitz, Ernst von, Gockisch, Paul
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Mädchenschule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Mädchen
B. Das Gebiet der Südeuropäischen Faltengebirge. — 3. Österreich-Ungarn. 21
in größerer Zahl unter die Herrschaft der Habsburger, denen der Grenzstaat seit
1282 gehörte. 1526 wurden die Königreiche Böhmen (mit Mähren und Schlesien)
und Ungar:: gewonnen, und so stieg das Reich zur Großmacht empor. Durch die
Zertrümmerung des Polenreiches kam Galizien, fast zu derselben Zeit von der Türkei
die Bukowina hinzu, und infolge der ttirkischen Wirren nahm Österreich-Ungarn
1908 Bosnien und die Herzegowina in dauernden Besitz. Seitdem keine Gefahr
mehr von den Türkei: droht, fehlt dem Staate der innere Zusammenhang, der
obendrein erschwert lvird durch die ausgesprochenen Gegensätze der Bodengestalt
und der Bolksstännne. Trotz der Bemühungen des Herrscherhauses, die verschiedenen
Staatsgebiete zu einem einheitlichen Ganzen zu gestalten, mußte es 1867 Ungarn
(mit Kroatien und Slawonien) als selbständigen Staat anerkennen. So zerfällt
die Monarchie in
das Kaiserreich Österreich...................... 300 000 qkm, 27,5 Mill. E.
das Königreich Ungarn.......................... 325 000 „ 20,5 „
das Reichsland Bosnien und Herzogowina . . 50 000 „ 2 „
Gesamtstaat...................... 675 000 qkm, 50 Mill. E.
Jedes der beiden erstgenannten Länder wird selbständig verwaltet. Genreinsam
sind beiden Reichen die Person des Herrschers, das Landheer und die Marine, das
Mtinzwesen und die auswärtigen Angelegenheiten. Bosnien und die Herzegowina
stehen unter gemeinsamer Verwaltung beider Reiche.
C. Bevölkerung.
Die staatliche Entwicklung macht es erklärlich, daß Österreich-Ungarn in bezug
auf die Abstammung seiner Bevölkerung sowie nach Sprachen und Sitten unter
allen Großstaaten Europas die geringste Einheitlichkeit zeigt1. Mehr als 11 Millionen
sind Deutsche. Sie wohnen in den Alpenländern, die südlichen Alpenketten aus-
genommen, und an den Randgebirgen Böhmens, außerdem in vielen Sprachinseln
fast in allen Teilen des Reiches, bis nach Siebenbürgen. Die Slawen machen mit
21 Millionen fast die Hälfte der Gesamteinwohnerzahl aus. Sie gehören verschiedenen
Stämmen an. Ihre Wohnsitze sind der N und 8 der Monarchie. Es wohnen die
Tschechen in Böhmen und Mähren, die Slowaken im nördlichen Ungarn, die Polen
und Ruthenen in Galizien, die Slowenen in Krain, Kroaten und Serben südlich davon.
9 Millionen Magyaren smadjärensj oder Ungarn bewohnen das Donau-Tiefland,
wo sie sich um das Jahr 900 n. Ehr. zwischen Nord- und Südslawen eingeschoben
haben und den einzigen der Sprache nach nicht indogermanischen Volksstamm
bilden, der sich eine beachtenswerte Stellung unter den abendländischen Kultur-
völkern erobert hat. Dazu kommen noch 1 Million Italiener in Südtirol und
auf dem Küstensaume des Adriatischen Meeres, 3 Millionen Rumänen in Sieben-
bürgen und der Bukowina, Zigeuner u. a. m. Keine dieser Nationen überwiegt
so entscheidend, daß sie zur Herrschaft über die ander,: berufen wäre. Die geistig
und gewerblich am höchsten stehenden Deutschen waren bis vor 30 Jahren das
herrschende Volk; aber seitdem streben die slawischen Stämme, besonders die Tschechen,
nach völliger Selbständigkeit, und die Magyaren herrschen in Ungarn. Noch ist das 1
1 Wohl weist Rußland ein noch bunteres Völkergemisch auf, aber einer seiner Volks-
stämme, der russisch-slawische, hat durch seine große Kopfzahl das Übergewicht über alle
andern Stämme zusammen und herrscht vor, wodurch dies Reich in höherem Grade ge-
einigt erscheint als Österreich-Ungarn (S. 100).