1887 -
Berlin
: Dümmler
- Autor: Baumgarten, Johannes
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
Massua. 131
indischen Waren der Banianen, so daß auf den europäischen Verkehr
nur eine Summe von 10 000 Thalern kommt. Dieser ist demnach
nur ein Detailhandel, welcher nicht schwer in die Wagschale fällt.
Ehrlichkeit und Rechtlichkeit sind die erste Bedingung für den,
der mit den Abessiniern zu thun haben will. Sie sind sehr miß-
trauisch, wittern sofort Betrug, wo sie Schlauheit bemerken, wissen
dagegen Offenheit in Geschäften sehr zu schätzen.
Die großen Karawanen kommen, wie gesagt, nur einmal des
Jahres nach Massua; doch giebt es viele kleine Kaufleute vontigrs
und Hamazen, die während des ganzen Jahres aus- und eingehen
und den Markt stets in einiger Thätigkeit erhalten. Die eigentliche
Geschäftssaison sind die Sommermonate.
Die bösen Zeiten haben es mit sich gebracht, daß eine Karawane
einer kleinen Armee nicht unähnlich sieht. Die großen Neggadös
bringen nur wenige Diener nach Massua, da sie eine Unzahl Dienst-
leute aus der Grenze bei ihren Maultieren zurücklassen. Die Tracht
des reisenden Abessiniers besteht in kurzen engen Beinkleidern und
einer sehr langen dichten weißen Schärpe, die um die Hüfte gewickelt
ist; darüber trägt er die ungenähte viereckige Toga (Guari), von der
er ein Ende über die eine Schulter wirft. An seiner Rechten hängt
das lange krumme Schwert (Schotel) und außerdem trägt er einen
großen runden, buckligen Schild aus Büffelhaut und eine lang-
spitzige Lanze. Aber auch Feuergewehre, mit denen besonders Euro-
päer einen einträglichen Handel treiben, sind von jeher sehr verbreitet
gewesen.
Die mohammedanischen Abessinier sind (ohne Zweifel) bedeuten-
dere und bessere Handelsleute, als ihre christlichen Landsleute; ihr
Hauptgeschäft ist der Sklavenhandel, der sie oft nach Djidda führt.
Ich habe nie ein Volk gesehen, das sich seine Religion so wahrhaft
innig zu Herzen nimmt, wie diese Mohammedaner, die neben ihren
Glaubensbrüdern, den Arabern, in Zucht und Rechtlichkeit wie
Engel dastehen und wahre Früchte des Glaubens tragen. Ohne
Zweifel wirkt daraus der Umstand ein, daß sie in Abessinien die Mi-
norität bilden, die stets mehr aus sich achtet, als die Majorität, wie
es auch in den paritätischen Ländern Europas sichtbar ist. Die
abessinischen Muslimin sind ihrem Glauben sehr zugethan, oft sogar
etwas fanatisch, was aber nie offen hervortritt. Sie dienen in
Abessinien als Zöllner, wie die Kopten in Ägypten, sind durchschnitt-
lich gebildeter, als die Christen und bessere Rechner und Diplomaten,
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