Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Deutsch-Afrika und seine Nachbarn im schwarzen Erdteil - S. 163

1887 - Berlin : Dümmler
Ein Tag und eine Nacht in Kairo. 163 Mann dort mit seinem Korbe voll Zuckerwerk ruft euch zu: „Für einen Nagel! o Zuckerwerk!" Das ist ein schlimmer Gesell, da er die Kinder und Dienstboten veranlaßt, Nägel und andere Kleinig- feiten aus dem Hause zu stehlen, um dieselben gegen seine Ware umzusetzen. Eine Art von Gemüse, Tirmus genannt, bieten sie mit den Worten aus: „O wie süß das kleine Söhnchen des Flusses!", die Citronen dagegen mit dem Ruse: „Gott mache sie leicht, o Ci- tronen!" und die gerösteten Kerne einer Art Wassermelone mit dem Schrei: „O Tröster dessen, der in Not, o Kerne!" Leute aller Trachten und aller Zungen, in ruhiger und in leb- haster Stimmung, geben das vollständige Bild eines Karnevals, der tagtäglich die Hauptstraßen Kairos durchwogt. Dort kommt gravi- tätisch, seinen langen, weißen Bart behäbig streichend, ein türkischer Bey geritten, während der neben ihm laufende Diener, die Pfeife tragend, den Arm auf den Rücken des Tieres gelegt hat. Der Schritt seines Pferdes, das ein blutrotes, mit Gold gesticktes und mit Trod- deln behängtes Zaum und Sattelzeug bedeckt, ist ebenso langsam wie der Gedanke seines Herrn. Schnell zu reiten hält der vornehme Türke für unziemlich und seinem Range unangemessen. „O du Sohn des Hundes!" donnert er einem armen Araber entgegen, der im Vorbeigehen sein Kleid gestreift hat und scheu und schüchtern in der Menge verschwindet. Da taucht neben ihm ein Geist, ein lang- gelockter, hagerer Mensch auf; sein Kleid ist aus tausend bunten Flicken zusammengesetzt, sein Kopf ist von einer Art Schellenkappe bedeckt, sein Auge ist irre, seine mageren Hände erhebend, bettelt er um ein Almosen. Das ist ein Verrückter oder Heiliger der geehrten Stadt Kairo. Die Verrückten werden nämlich von den Anhängern des Propheten sür heilige Personen angesehen, da, ihrer Meinung nach, dieselben von Gott dadurch besonders bevorzugt seien, daß ihr Geist bereits im Himmel weile, während ihr gröberer Teil sich hier auf Erden unter sterblichen Menschen befinde. Sie dürfen die arg- sten Handlungen ungestraft begehen und werden mit der bewundernngs- würdigsten Geduld geführt und geleitet. Der feine arabische Effendi in seiner kleidsamen Mamelukentracht bildet hier in Kairo den Lion der arabischen Gesellschaft. Er kleidet sich mit einer gewissen Ele- ganz, die freilich darin nie etwas Anstößiges findet, daß aus einer goldgestickten roten Jacke der Ellenbogen hervorsieht oder die Schuhe ziemlich sichtbar zerplatzt sind. Er begrüßt den koptischen Moallim oder Schreiber der Regierung, dessen bleiches, rundes Gesicht, noch 11*
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer