1873 -
Frankfurt a.M.
: Jaeger
- Autor: Lüben, August, Cassian, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Mill. E.) durch eigne Schuld eingebüßt, nämlich durch seine unersättliche
Habgier und die despotische Verwaltung seiner Colonieen.
Betrachten wir die Thätigkeit der Spanier auf dem landwirthschast-
lichen Gebiete, so ist bei der Dürre der beiden kastilischen .Hochebenen und
der Tiefebene Arragoniens, welche zusammen den größeren Theil der Halb-
insel einnehmen, und bei dem Mangel an Fleiß der Bewohner ein hin-
reichender Ertrag des Bodens nicht zu erwarten. Die südlichen Landschaften,
Valencia und Murcia, haben Reis, Mais, Weizen in mehr als ausreichender
Menge; doch ist auch hier eine sehr große Sorgfalt der Bewohner auf die
Bestellung der Felder nicht ersichtlich. Der Weinbau ist am meisten der-
breitet und kultivirt; der Wein in der Umgebung von Malaga und Xeres
de la Frontera, aus Andalusien, Murcia und Valencia wird auch im Aus-
lande hochgeschätzt. Die Viehzucht wird uicht minder wie der Ackerbau
und die Forstwirthschaft vernachlässigt. Während früher, und zwar noch
vor 50 Jahren, alljährlich 8 Millionen Pfuud Wolle ausgeführt wurden,
welche als die beste überall anerkannt war, wird jetzt keine Million mehr
versendet, und gegenwärtig steht die spanische Wolle noch obendrein an
Feinheit und Güte der sächsischen und schleichen nach. Der Seidenbau,
welcher ziemlich verbreitet ist, liefert auch kein fehr geschätztes Produkt.
Und dieser ganze Jammer rührt einzig von der Verwaltung des Reichs
und von der Trägheit des spanischen Volkes her. Unter Philipp Ii. und Iii.,
also um 1560, zählte Sevilla in seinen Mauern 16,000 Webstühle für
Seide und Wolle,, wodurch 130,000 Menschen Beschäftigung erhielten.
Sechszig Jahre später gab es in der gleichen Stadt nur noch 400 Web-
stühle. Der Despotismus der Regierung und die grausame Justiz der
Inquisition lähmte die fleißigsten Arbeiter und zwang sie zur Auswanderung.
Rechnet man doch, daß über 30,000 Menschen durch die Inquisition in
Spanien verbrannt und 300,000 streng bestraft worden sind.
Die spanische Industrie ist jetzt so unbedeuteud geworden, daß man
die meisten Fabrikate aus dem Auslande bezieht. Nur in den größten
Städten finden sich Fabriken, namentlich in Seide und Leder, deren Waaren
aber hinter andern europäischen Manufakturen zurückstehen *). Der
Handel im Innern ist weder durch Straßen und Kanäle noch durch ein
großartiges Eisenbahnnetz unterstützt. Seehandelsplätze sind Cadix, Bar-
celona, Malaga, Santander, Bilboa ic.
Der spanische Volkscharakter weist viele gute Seiten auf, welche aber
durch die strenge politische und religiöse Bevormundung des Volkes arg
verwischt worden sind. Man rühmt vor allem an den Spaniern echte
Vaterlandsliebe, Tapferkeit, Muth und Ausdauer, Redlichkeit, Ernst, Ein*
sicht und Lebendigkeit. Es giebt wenig Völker in Europa, welche dem
Spanier an Mäßigkeit gleichkommen. Ein spanischer Soldat begnügt sich
für einen Tag mit Wasser, Brot und einer süßen Zwiebel; „Oliven, Salat
und Radieschen sind Speisen eines Ritters." Eben wegen ihrer Mäßigkeit
und tapfern Ausdauer _ sind die Spanier die besten Soldaten und Festuugs-
vertheidiger. Nicht mit Unrecht wirft man dem Spanier Grausamkeit,
Hochmuth, Rachsucht und Geiz vor. Die Volksbelustigungen der Spanier,
die Stiergefechte, denen Männer und Frauen aller Stände mit unbegreif-
*) Die Tabaksfabriken, namentlich die in Sevilla und Madrid, welche aus-
schließlich von der Krone betrieben werden, sind allein sehr bedeutend, weil der Spa
nier ohne Cigarren, Chokolade und kühles Wasser nicht leben kann.
Cassian, Geographie. 5. Aufl. Iq