1882 -
Hannover
: Hahn
- Autor: Guthe, Hermann, Wagner, Hermann
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
566 Buch Vii. Asien.
colossalen Besitzthums in die Hand nahm. Seit 1877 führt die Königin von
England auf Grund desselben den Titel einer Kaiserin von Indien.
Die britische Regierung ist nun von Anfang an außerordentlich bemüht
gewesen, durch Herstellung von Heerstraßen, Canälen und Eisenbahnen das
Land aufzuschließen und zu befruchten, um durch Hebung der Produktion die
hohen Steuern der Eingeborenen zu mindern, aber auch das Gleichgewicht
zwischen Einnahme und Ausgabe des Eolonialwesens endlich herzustellen.
Zur Zeit ist dies noch nicht gelungen und England ziebt direct nicht den ge-
ringsten Nutzen aus dem Besitze Indiens, etwa wie die Niederlande aus Java.
Aber die Schwierigkeiten sind hier auch ungleich größer. Sie liegen vor allem
in der enormen Zahl der Bewohner, deren Anschauungen so grundverschieden
von den europäischen sind. Zwar werden zahlreiche Bildungsanstalten unter-
halten, die confefsionslos sind und eine Fülle europäischer Vorstellungen unter
dem Volke verbreiten, aber die Durchdringung der Massen durch Vermittlung
einiger Tausend Beamten erfordert Zeit. Das schwierigste Element bilden für
die Regierung die Mohammedaner, etwa 55 Mill. an der Zahl, einst die
Herren des Landes, die europäischen Einfluß am entschiedensten abweisen.
Was aber auch zu wünschen sein mag, Englands Fremdherrschaft ist die ein-
zige, welche etwas für die Wohlfahrt des Landes gethan hat. — Wir wollen
hier unter Britisch-In dien gleich auch diejenigen Gebiete mit hereinziehen,
welche nur mittelbar den Engländern unterthan sind, indem ihnen meist gegen
Entrichtung eines Schutzgeldes innere und äußere Ruhe von jenen zugesichert
ist1). Als künftiges Schicksal steht ihnen wohl die frübere oder spätere Ein-
verleibung bevor. Danach kann auf Grund der 1881 vollzogenen großen
Volkszählung das Ganze, wie folgt, abgeschätzt werden:
Hzm. H>Kil, Bewohner 1881.
Unmittelbare Besitzungen 40900 2.253000 199 Mill.
Lehnsstaaten......... 27600 1.521000 54 „
Summa 68500 3.774000 253 Mill.
Unter diesen 253 Mill. (wobei Ceylon, welches nicht zum indischen Kaiser-
reich gehört, mit 23/5 Mill. noch nicht mitgerechnet ist! s. u.) leben kaum
150000 Europäer, fast nur britische Unterthanen. Zur Hälfte bilden sie das
europäische Heer, das in größern Eantonnements im Lande vertheilt ist. Da-
neben besteht ein größeres aus Eingeborenen, den sog. Sipoys, unter englischen
Ofsicieren. Etwa 12000 englischen Beamten liegt die Verwaltung eines Ge-
bietes von 250 Mill. ob! Das Klima verbietet größere Einwanderung der
Europäer; Soldaten und Beamte müssen vielmehr häufig aus Gesundheits-
rücksichten wechseln oder Pflegen sich zur heißen Jahreszeit aus die höher ge-
legenen Sanitarien zurückzuziehen. Ueber die Unterschiede des Stammes und
der Consession der Bewohner ist schon S. 523 berichtet worden. Hier kommt
noch die verschiedene Vertheilung innerhalb des ausgedehnten Gebietes in Be-
tracht, die kaum irgendwo auf der Erde solche Gegensätze zeigt2). Fast in
allen Niederungen, mit Ausnahme des Jndusgebietes, also in der hindo-
J) Wie die Bedingungen, unter denen diese Staaten zu englischen Lehnsfiaaten
geworden sind, unter sich sehr verschieden, so wechselt auch der Grad der Abhängigkeit
in der Verwaltung oft; die englische Regierung übernimmt dieselbe häufig bei Minder-
jährigkeit einheimischer Fürsten oder auch bei Mißwirtschaft, um sie später zuweilen
zu geeigneter Zeit und dann meist in ungleich geordneteren Verhältnissen den recht-
mäßigen Inhabern zurückzugeben. Dies der Grund, weshalb man einzelne Gebiete
bald als unmittelbaren Besitz angeführt, bald zu den Lehnsstaaten gerechnet findet.
2) S. H. Wagner's Karte der Bevölkerungsdichtigkeit in Britisch-Indien auf
Grund der großen Volkszählung 1869—72 in „Bevölkerung der Erde Iv." 1878.
Taf. 1, 1:7.500000. Den Tert dazu bildet gewissermaßen ein Vortrag über diese