1911 -
Halle a. d. S.
: Verl. der Buchh. des Waisenhauses
- Autor: Lampe, Felix
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Mädchenschule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Mädchen
länderkundliche Darstellungen 0. Albrecht penck.
Erhebungen von dem nur 600 m hoch gelegenen Becken von Berchtesgaden,
dessen Bodeu eine einzige zusammenhängende Wiese, durchzogen von Reihen
des Bergahorns, darstellt. An den Gehängen der Berge dehnen sich darüber
dunkle Wälder bis zu einer Höhe von 1500—1600 m aus, über welchen
sich die nackten Wände der Felsklötze erstrecken. Diese selbst erscheinen fast
unnahbar. Vielfach gewundene Pfade führen an ihnen herauf, die, wenn
sie die schroffe Wand erklommen haben, auf eine verhältnismäßig ebene
Fläche führen. Auf den niederen Massiven dehnen sich hier Matten aus,
die höheren liegen völlig nackt und kahl, und das höchste, die Übergossene
Alm, ein Ausläufer des Steinernen Meeres, liegt gänzlich unter ewigem
Schnee begraben. Aber erscheint auch jeue Fläche auf den ersten Blick als
eben, so mangeln ihr doch nicht charakteristische, höchst eigentümliche Züge
des Reliefs. Ihr Boden ist von mehr oder weniger tiefen Einsenkungen
gleichsam durchlöchert, welche den Dolmen des Karstes gleichen, oder durch-
furcht vou Rillen, denen das Wasser fehlt. Ja es treten sogar ganze, große
Becken ohne oberflächlichen Abfluß entgegen, in denen nur hier und da sich
Seen finden, die ihre Waffer durch unterirdische Kanäle talabwärts senden.
Es ist die Karstformation, die hier in den bezeichnendsten Zügen ihres
Reliefs entgegentritt. Die Gehänge der Felsmassive selbst tragen eine Bil-
dung, die sonst zwar in den Kalkalpen nicht fehlt, aber nirgends in so
großartiger Weise wieder entgegentritt. Da und dort nämlich zeigt die
Wandung eines Felsklotzes eine Nische oder Einbuchtung mit ebenem Boden,
welche wie ein enormes, in den Felsen eingearbeitetes, antikes Amphitheater
erscheint. Das sind die Kare, die hier teils hoch oben über den Tälern
liegen, teils aber namentlich auch am Anfange jener Täler ausgebildet
sind, welche aus dem steinernen Meere in das Berchtesgadener Land führen.
Vergleichbar mit dem Zirkus von Gavarnie in den Pyrenäen, schließt ein
Felsentheater das Wimbachtal ab, dessen Boden über und über mit losem
Kalkschutt bedeckt ist, aus welchem das Wasser versiegt. Kahl und nackt ist
das Tal, selbst auf seinem Boden der Vegetation entbehrend. In voll-
endetem Gegensatze hierzu tritt das andere der beiden Täler. Sein Boden
wird von dem klaren Spiegel des Königsse es eingenommen, welcher
zwischen schroffen, kahlen Felsen dieselbe Biegung beschreibt wie das Wim-
bachtal, um dann mit seinem durch einen Bergsturz abgedämmten, oberen
Ende, dem Obersee, in einem Zirkus sich zu erstrecken, welcher an Groß-
artigkeit den von Oo in den Pyrenäen übertrifft. In solch Felsentheater
stumpf endend, steht der Königssee einzig unter den Seen der deutschen
Alpen da: Von schroffen Wänden gebildet, werden seine Ufer pfadlos;
188 m tief senkt sich das Becken in die Tiefe. Die Sage behauptet, daß