1911 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Lerche, Otto
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt, Seminar
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
3. Das tropische Klima,
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Der Himmel am Äquator. — Im Bereiche der Äquatorialzone steht die
Soune um Mittag nicht nur zweimal des Jahres lotrecht, sondern sie steht auch meh-
rere Monate so nahe dem Zenit, daß ohne sorgsame Beobachtung der sehr kurzen
Schlagschatten aufrechter Gegenstände der Unterschied kaum wahrnehmbar ist. Der
Mangel der Schlagschatten auf horizontalen Flächen, der auf diese Weise einen großen
Teil des Jahres charakterisiert, ist in der Tat für jeden Bewohner der gemäßigten
Zone eine höchst ausfallende Erscheinung. Ebenso überraschend aber ist der Anblick
des Sternenhimmels. Das Sternbild Orion geht durch den Zenit, der Große Bär
steht dagegen tief unten am nördlichen Horizonte, und der Polarstern erscheint ent-
weder nächst dem Horizonte, oder er verschwindet ganz und gar, je nachdem der
Beobachter sich nördlich oder südlich vom Äquator befindet. Gen Süden sind das
südliche Kreuz, die Magelhanischen Wolken und die tieffchwarzen „Kohlensäcke" die
hervorragendsten Gegenstände, die in unseren nördlichen Breiten unsichtbar sind.
Aus demselben Grunde endlich, aus dem die Sonne den Zenit passiert, erscheinen
auch die Planeten viel häufiger in dessen Nähe als bei uns und geben auf diese Weise
gute Gelegenheit zu astronomischen Beobachtungen.
Intensität der meteorologischen Erscheinungen. — Die große Heftig-
keit der Witterungserscheinungen, welche man allgemein als einen Charakterzug
der Tropen ansieht, ist dies durchaus nicht in irgendwelchem hervorstechenden Grade.
Störungen der Elektrizitätsverteilung sind viel häufiger als in der gemäßigten Zone,
aber im ganzen durchaus nicht gewaltsamer. Stürme sind selten sehr heftig, wie
denn auch das Barometer einen hohen Grad von Beständigkeit zeigt. Die täglichen
Schwankungen desselben übersteigen in Batavia selten | Zoll, und die größten
Unterschiede während dreier Jahre betrugen weniger als Zoll! Die Regenmenge
ist allerdings sehr groß, 70 bis 80 Zoll im Jahre sind etwa das Mittel, und da der
Hauptregenfall sich auf 3 bis 4 Mouate konzentriert, so sind die einzelnen Güsse oft
sehr bedeutend. Der heftigste Regenguß in Batavia während dreier Jahre lieferte
3,8 Zoll in einer Stunde — am 10. Januar 1867 von 1 bis 2 Uhr nachts —, doch war
dies ganz und gar eine Ausnahme; selbst eine halb so große Menge ist etwas Un-
gewöhnliches. Die Maximalmenge für 24 Stuudeu betrug 7^ Zoll; allein mehr
als 4 Zoll pro Tag kommen höchstens 2 bis 3 mal im Jahre vor. Die Bläue des
Himmels ist vermutlich nicht so dunkel wie in manchen Teilen der gemäßigten Zone,
der Glanz des Mondes und der Sterne nicht merklich größer, als in unseren klarsten
Winternächten und sicher geringer als in manchen Wüstenstrecken und selbst in Süd-
enropa.
Im ganzen muß man sagen, daß weit mehr Gleichförmigkeit und Fülle als
Übermaß der Einzelerscheinungen die Grundzüge der klimatischen Erscheinungen der
Äquatorialzone sind.
Schlußbemerkungen. — Wir können dieses Kapitel über das äquatoriale
Klima nicht besser schließen als mit der nachfolgenden Beschreibung der Vorgänge
zu Beginn der trockenen Jahreszeit in Para. Wir entnehmen sie aus Bates' Werk
über das Gebiet des Amazonenstromes (Naturalist on the Amazons), da sie viele
der Charakterzüge eines typischen Tages der Äquatorialwelt lebendig zur An-
schauung bringt.
„In der Frühe — während der ersten zwei Stunden nach Sonnenaufgang —
war der Himmel stets wolkenleer, das Thermometer zeigte 22 bis 23° C; der Tau,
der schwer auf den Blättern lag, oder der Regen der Nacht, welcher sie noch in reichem
Maße benetzte, verschwand rasch in der Glut der Sonne, die von Osten her gerade