1911 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Lerche, Otto
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt, Seminar
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
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A. Zur Allgemeinen Erdkunde.
Ägyptens aus der Pharaonenzeit, es scheint vielmehr den Ägyptern bis zur
Ptolemäerzeit gauz fremd geblieben zu sein und hat seinen das Verkehrswesen
Nordafrikas umgestaltenden Einzug in die ganze Sahara und darüber hinaus
sicher erst im Gefolge der Ausbreitung des Islams bis in den Sudan gehalten.
Religionen sind auch sonst bei der Metamorphose des landschaftlichen Kulturbildes
mehrfach mit beteiligt gewesen, nicht allein durch bauliche Anlagen wie Moscheen mit
schlanken Minaretts, Pagoden und Buddhistenklöstern, die gerade so wie christliche
Wallfahrtskirchen und Klöster ans einem tief im Menschenherzen begründeten Zug
die Berggipfel suchen, wo sie dann landschaftlich um so bedeutender wirken; und was
wäre uns die Ebene am Niederrhein ohne den Kölner Dom, die oberrheinische
Ebene ohne Straßbnrgs Münster? Um uns aber bewußt zu werden, wie Religionen
z. B. unmittelbar eingriffen in die vegetativen Landschaftstypen, brauchen wir nur
desseu zu gedeukeu, daß die Weinpflanzungen überall zurückwichen, wo Mohammeds
puritanisches Nüchternheitsgebot erschallte, selbst in dem einst so weinreichen Klein-
asien, das Christentum hingegen den Anbau der Rebe uach Möglichkeit förderte, schou
um deu Weihekelch des Abendmahls rituell zu füllen. Mit dem Athenakultus war der
der Göttin heilige Ölbaum untrennbar verbunden; mit dem Apollodienst wanderte
der Lorbeerbaum um das Mittelmeer. Die Verdienste gewisser Mönchsorden um
deu Wandel des finsteren Waldes in lichtes, fruchttragendes Gefilde während des
Mittelalters sind hoch zu preisen. Ja wir haben geradezu den urkundlichen Beleg
eines solchen Wandels immer vor uns, sobald uns nur bezeugt wird, daß zu bestimmter
Zeit au dem betreffenden Ort ein Zisterzienserkloster gegründet sei; denn das durfte
nach der Ordensregel gar nicht wo anders geschehen als da, wo noch bare Wildnis
den Anblick der Urzeit bot, damit alsbald dort mit Rodung, Eutsumpsnng, Anbau be-
gouuen werde. Wo jetzt die Thüriuger Eisenbahn uns so gemächlich durch die grünen
Fluren des Saaltals an Weingeländen und hochragenden Burgruinen bei Schnlpforta
vorbei dem inneren Thüringen zuführt, kann beispielsweise im 12. Jahrhundert nur
eine versumpfte Talsperre bestanden haben, die zu umgeheu die Fahrstraßen ans
benachbarten Höhenrücken hinzogen, denn — die Porta Coeli ward damals als Zister-
zienserabtei angelegt. Gerade von ihr ist uns kürzlich durch einen hübschen geschicht-
lichen Fund die gärtnerische Bedeutung der alten Mönche in helles Licht gerückt worden;
man verstand früher nie, warum in Frankreich der auch dort weit und breit geschätzte
Borsdorfer Apfel pomine de porte heißt, — nun wissen wir den Grund: die fleißigen
Mönche von Pforta hatten auf ihrem Klostergut Borsdorf unweit von Kamburg an
der Saale eine neue feine Geschmacksvarietät einer kleineren Apfelsorte entdeckt und
verteilten alsbald Pfropfreiser derselben an ihre Ordensbrüder weit über Deutschland
hinaus, und nur die Franzosen bewahren zufällig durch den ihnen selbst nun unklar
gewordenen Herkunftsnamen pornme de porte die Eriuueruug daran, daß die rot-
bäckigen Borsdorfer alle Nachkommen sind von Stammeltern, die in einem stillen
Klostergarten an der thüringischen Saale gewachsen.
Ganz Europa ähnelt einem Versuchsfeld, auf dem nützlick)e Gewächs- und Tier-
arten gezüchtet wurden, um sie dann mit dem alle übrigen Erdteile durchflutenden
europäischen Kolonistenstrom nach systematischer Auslese auch dort einzubürgern, wo
es die geologische Entwickelnng nicht hatte geschehen lassen. Nicht ein Erdteil wird ver-
mißt unter den Darleihern von Zuchttieren, Nutz- oder Ziergewächsen an Europa.
Am schwächsten ist Afrika vertreten, nämlich bloß mit Schmuckpflanzen wie Calla
und Pelargonien; Australien schenkte uns in seinem Eukalyptus einen kostbaren rasch-
wüchsigen Baum, der durch die energische Saugtätigkeit seines mächtig ausgreifeudeu