1911 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Lerche, Otto
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt, Seminar
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
9. Die Oberrheinische Tiefebene und ihre Randgebirge.
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Sümpfe und Seen des Berglandes mit guten und bösen Kobolden bevölkert, doch
aufgeweckten Sinnes für die Geschäfte der Wirklichkeit und für ein tüchtiges prak-
tisches Zugreifen — lauter Eigenschaften, die ihr markiger Körper noch verstärkt;
denn sie erfreuen sich bei genügsamem Leben eines kräftigen Gliederbaues, gesunden
Aussehens und ausdauernder Gesundheit.
Das Gebirge hört jenseit der Murg auf, den Namen Schwarzwald zu führen,
und seine Fortsetzuug nördlich von Durlach und Pforzheim hat nur vom Rheintal
aus, nach dem sie ziemlich steil abfällt, ein gebirgsartiges Ansehen. Diese unter dem
Namen des Kraichgaues bekannte Einsenkuug zieht sich auf 50 km als ein niedriges,
flachwelliges und angebautes Hügelland von nur 400 m mittlerer Höhe bis zu dem
Durchbruche des Neckar, zum größten Teil aus Muschelkalk bestehend. Jenseits des
Neckar erhebt sich der Odenwald, der wieder größtenteils die Massen des Urgesteins
zeigt und weithin seine schon von den Römern (im „Felsenmeer") ausgebeuteten
Bausteine liefert. Über die mittlere Höhe von 450 m steigert mehrere im Verhältnis
zur Niedrigkeit des Gebirges kühn geformte Gipfel empor, unter ihnen besonders
der Melibocus oder Malchen (515 m) am Westrande und der Katzenbuckel (626 m).
Den Osten des früher mit Eis bedeckten Gebirges bildet Buntsandstein, im Westen
tritt Granit nebst anderen alten Gesteinen zutage und fällt ziemlich schroff ins Rhein-
tal, zur vielbesuchten, von zahlreichen Ruinen überragten Bergstraße ab, an der
jetzt die Main-Neckarbahn entlang führt.
Auch die Hauptmasse des Wasgeuwaldes (Möns Vosegus der Römer, les
Vosges der Franzosen) liegt im Süden. Sein Kamm beginnt auf französischem
Gebiete bei der Burgunder Pforte (trouee de Beifort), die den Jura vom Wasgen-
walde scheidet, mit dem Elsässer Belchen (1245 m) und zieht sich, von der deutsch-
französischen Grenze begleitet, nordwärts bis zum Donon (1009 m) in einer Länge
von 100 und einer Breite von 50 km. Während der Hochwasgenwald sich in seinem
westlichen Abfall als ein wildes, seenreiches Waldgebirge darstellt, das sich längs
der Mosel und Menrthe allmählich nach Lothringen abstust, kehrt er ebenso wie der
Schwarzwald seinen steilen Abfall dem Rheintale zu, in dessen Einschnitten sich wiesen-
und quellenreiche Talgründe bergaufwärts ziehen, von einer gewerbtätigen Ein-
Wohnerschaft bevölkert. Waldlose Rücken des einst vergletscherten hohen Wasgen-
Wäldes dienen als Viehweide. Stille Seen, wie der Schwarze See, ein altes, durch
einen Moränenwall abgeschlossenes Gletscherbecken, liegen zwischen Felsentrümmern,
Höhlen öffnen sich in weltentrückten Tälern, und der Kamm trägt mächtige abge-
rundete, Kugelkappen ähnliche Kuppen, den Kratzen, Trumenkopf, Winterung,
Hoheneck n. a., die mit dichten Nadelholzforsten bedeckt sind und zu den schönsten
Bergwaldungen Deutschlands gehören. Die oberen Talanfänge sind bisweilen mit
kleinen Bergseen oder Torfmooren gefüllt; prächtige Täler, wie das Münstertal
und Steintal, ziehen sich zwischen steilen Bergen in die Ebene hinab, geschmückt mit
kleinen Städten und überragt von Klöstern und Burgruinen. Erst in neuster Zeit,
besonders seit dem Wiederaufbau der Hohkönigsburg, findet diese Gegend den ihr
wegen ihrer Schönheit gebührenden Besuch. Am Ostrande erheben sich ebenfalls
hohe Bergkuppen, von denen der Sulzer Belchen mit 1426 m der höchste ist. Auf
das Urgestein legen sich ringsum devonische und karbonische Ablagerungen, die vom
Breuschtale an vorherrschend werden, bis schließlich dem Kraichgau gegenüber eine
Buntsandsteinmulde, die Pfalzburger Mulde, als natürliche Grenzlinie auftritt, über
die bei Zaberu eine Straße, eine Eisenbahn und der Rhein-Marne-Kanal die Ver-
bindung mit Lothringen herstellen.