1911 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Lerche, Otto
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt, Seminar
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
11. Italien, eine länderkundliche Skizze. 97
hat, im übrigen Italien wärmeerhaltend wirkt, sammeln sich hier auf der Sohle des
Troges die kühlen, schweren Lnstmassen, die nur langsam zur Adria absließen können,
und namentlich bei Schneebedeckung bilden sich gar nicht selten sehr niedere Tempera-
tnren durch Wärmestrahlung aus, zumal der Winter hier auch die niederschlagsärmste,
heiterste Jahreszeit ist. Es kommen hier Perioden bis zu 30 Tagen vor, in welchen
das Thermometer unter Null bleibt, und in Mailand bietet sich oft genug^Gelegenheit
zum Schlittschuhlaufen. Nur hat die kalte Jahreszeit im allgemeinen kürzere Dauer.
Infolge seiner kalten Winter, die nur an den Seen wesentlich gemildert sind, besitzt
die Po-Ebene nur wenige Vertreter der mittelländischen Pflanzenwelt, selbst der Ol-
bäum ist ihr fremd; sie kann höchstens als eine Vorhalle des Südens angesehen werden.
Aber auch in dem natürlichen Treibhause an der ligurischen Küste, so groß und un-
vermittelt auch der Gegensatz gegen die Po-Ebene ist, kommen Fröste und Schneefälle
oft in recht empfindlicher Weise vor, so mild im allgemeinen die Winter auch sind. Man
sindet dort in der Mitte des Winters diejenige Wärme, die zu dem Gefühl des Behagens
vollends beim Sitzen im Freien gehört, keineswegs, namentlich ist die Temperatur
bei der reichlichen Besonnung — meist ist im Winter jeder dritte Tag ein ganz heiterer
— sehr veränderlich, die Gegensätze zwischen Sonne und Schatten, zwischen wind-
stillen und windigen Punkten, zwischen Tag und Nacht sehr groß. Es bietet sich da
allenthalben Gelegenheit zur Erhitzung und Abkühlung in der im allgemeinen ziem-
lich trockenen Luft, und uachgerade bricht sich die Überzeugung Bahn, daß wenigstens
für Lungenleidende dies Klima nicht vorteilhaft ist. Und ähnlich ist es in ganz Mittel-
Italien, namentlich an der Ostseite. Erst in Kampanien beginnt wirklich der Süden,
und in Sizilien erst findet man eine Wärme des kühlsten Monats, die unserm Mai
entspricht. Auch der Umstand, daß dort gerade der Winter die eigentliche Regenzeit
ist, während der Sommer völlig regenlos bleibt, vermag die Annehmlichkeiten des
sizilischen Winterklimas nicht zu vermindern, denn die Gleichmäßigkeit der Wärme
wird dadurch noch erhöht, und da die Regen fast nur in einzelnen heftigen Güssen
erfolgen, so konnte schon Cicero mit geringer Übertreibung sagen, daß in Sizilien nie
so schlechtes Wetter herrsche, daß man nicht jeden Tag die Sonne sehe. Freilich, der
Nordländer, der durch überheizte Zimmer verwöhnt zu sein Pflegt, muß sich erst
daran gewöhnen, eine Zimmertemperatur von 15° C, zu welcher im Januar wohl
öfter das Thermometer sinkt, behaglich zu finden.
Erst in Süditalien gelangt die Mittelmeerflora mit ihren immergrünen Holz-
gewächfen zur vollen Herrschaft, und ist wenigstens eine Zwergform der tropischen
Familie der Palmen einheimisch, erst dort werden andere Erzeugnisse niederer Breiten
so im großen gezogen, daß sie landschaftlich ins Gewicht fallen, wie die tropischen
Anrantiazeen. Freilich, die Dattelpalme, ein so malerischer Schmuck der Gärten sie
auch ist, selbst schon in Ligurien, vermag auch in Sizilien, wenn auch sortpslauzungs-
sähige, so doch keine eßbaren Früchte zu zeitigen. Dazu ist die Lufttrockenheit im
Sommer nicht groß genug. Tie Verbreitung der auffälligsten Mediterrangewächse,
des Ölbaums, der Jmmergrüneiche, des Erdbeerbaums, des Lorbeers, der Myrten,
Pistazien, Pinien usw., ist aber eine weit geringere als man gewöhnlich annimmt,
nur etwa die Hälfte Italiens hat vorwiegend mediterrane Flora, in der anderen
Hälfte begegnen wir überall unseren mitteleuropäischen Gewächsen, noch in Sizilien
bestehen die Gebirgswälder aus unseren Buchen, Eichen und Kastanien. Nur die von
der uuserigen grundverschiedene Art der Bodenverwertung, der Anbau von Mais und
Reis, die langen Reihen von Maulbeerbäumen oder rebennmrankten Ulmen u. dgl.
macht auch schon in der Lombardei auf den Deutschen einen südländischen, jedenfalls
Lerche, Erdkundl. Lesebuch. 7