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1. Erdkundliches Lesebuch für die Oberstufe höherer Lehranstalten und Seminare - S. 133

1911 - Breslau : Hirt
15. Zum Gipfel des Kibo. 133 über der Ebene einzelne Kumuluswolken in der dunstigen Atmosphäre schwammen, vom Widerschein des ziegelroten Steppenbodens an der Unterseite rötlich gefärbt. Das Unterland selbst aber war im Schleier der aufsteigenden Wasserdämpfe nur in undeutlichen Konturen erkennbar. Dagegen blinkte und blitzte über uns der Eishelm des Kibo in scheinbar greisbarer Nähe. Weiter kletternd, trafen wir kurz vor 9 Uhr an einen Absturz zur Linken, der uns einen großartigen Niederblick in das benachbarte, an 900 m tiefe Felstal eröffnete, und folgten seinem Rand, bis wir endlich um 9 Uhr 50 Minuten an der unteren Grenze des geschlossenen Kibo-Eises in 5480m Höhe anlangten. Der Fels setzt an dieser Stelle nicht in die sonst fast allerwärts an der Eisgrenze sichtbaren hellblauen Mauern und Wände von 20 bis 30 in Höhe ab, sondern geht in etwa 20 in Breite ganz allmählich zur Eiskuppe über. Diese aber steigt sofort unter 35° Neigung empor, so daß ihr ohne Eispickel absolut nicht beizukommen ist. Daß die Besteigung des Kibo von hier aus unternommen werden könne, war nun keiue Frage mehr; daß aber weiter oben kein nnbezwingliches Hindernis auftreten würde, und daß unsere Kräfte ausdauern würden, war keineswegs fraglos. Es ist ein großer Unterschied, ob man zu einer solchen Hochgebirgstour von einem Alpen- Hotel auszieht, oder von einem kleinen Zelt ausgeht, nachdem man vorher einen zwei- wöchigen Gewaltmarsch durch ostafrikanische Steppenwildnisse gemacht hat; ob man mit Brot, Schinken, Eiern und Wein verproviantiert ist, oder ob man nur schlechtes Dörrfleisch, kalten Reis und Zitronensänre mit sich führen kann. Von letzter Proviantart versuchten wir mehrmals etwas zu uns zu nehmen, aber die Appetit- losigkeit gebot rasch Einhalt. So suchten wir bald die Schneebrillen hervor, zogen den Schleier über das Ge- sicht und banden uns das Gletscherseil um den Leib. Herr Purtscheller schnürte sich außerdem noch seine Steigeisen an die Füße, während ich mich auf meine gut ver- nagelten und verklammerten Schuhe verlassen mußte. Um -^-11 Uhr begann mit einem ermunternden „Los!" die schwierige Arbeit des Stnfenhauens. In dem glas- harten, im Bruch wasserhell glänzenden Eis erforderte jede Stufe an zwanzig Pickel- hiebe. Langsam ging es an der glatten Wand aufwärts, anfänglich wegen ihrer fürchterlichen Steilheit schräg nach rechts hinauf, dann gerade auf den Gipfel zu. Hier aber senkt sich das Eis in eine breite Mulde ein, welche weiter bergab in jenes Steiltal ausläuft, das wir am Morgen traverfiert hatten, und legte sich eine so be- drohliche Reihe von Schründen und Klüften vor unseren Weg, daß wir befürchteten, von unferm Ziel abgeschnitten zu sein. Purtscheller versuchte die alten Schneebrücken und Eisstege mit dem Pickel; sie hielten, und nach vorsichtigen: Darübergleiten standen wir 12 Uhr 20 Minuten unter der letzten steileren Erhebung des Eishanges in 5700 in Höhe. Hier benannte ich in dankbarer Erinnerung an einen verehrten Freund den überschrittenen ersten Gletscher des Kilimandscharo „Ratzel-Gletscher". Dann wurde sitzend gerastet und wieder ein Eßversnch gemacht, der diesmal besser gelang. Die Wölbung der Eiskuppe, welche vom Plateau aus als die höchste erscheint, hatten wir nun unter uns; vom Tiefland mit seinem Wolkenmeer war nichts mehr zu sehen. Ich spreche immer nur von „Eis", weil der Kibo in diesen Tagen gar keinen Schnee hatte. Was von unten als eine weißglänzende Schneedecke erschienen war, ist die von Wind und Sonne zersetzte Oberfläche des Eismantels, der, durchschnittlich 60—70 in dick, als eiue kompakte Masse den Felshängen des alten Vulkans aufliegt und überall echten Gletschercharakter annimmt, wo er in Bodensenkuugeu sich zungen- förmig talwärts erstreckt. Obwohl die Temperatur nur wenig über 0° C schwankte,
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