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1. Erdkundliches Lesebuch für die Oberstufe höherer Lehranstalten und Seminare - S. 164

1911 - Breslau : Hirt
f 164 B. Zur Länderkunde. In solcher Weise verläuft das Leben einer Buschmannfamilie. Hauptsächlich wird gesammelt, die Jagd spielt heutzutage nicht mehr die Hauptrolle wie früher. Ist ein Gebiet abgesucht, so wird ein neues Standlager bezogen, bis der manchmal mehrere deutsche Quadratmeilen umfassende Familiendistrikt abgesucht ist. Das Leben des Buschmanns ist hart genug, aber er ist froh, wenn er immerhin imstande ist, unter Entbehrungen, hungernd und durstend, sein Leben zu fristen. Es gibt aber auch viel schlimmere Zeiten für ihn. Nehmen wir einmal an — und das ist nicht so selten der Fall —, daß die Regen am Ende des Jahres ausbleiben. Die Melonen sind zu Ende, die Knollen geschrumpft, saftlos, der Saugbrunnen versagt. Was tuu? Drei, vier, fünf stramme Marschtage trennen die Familie von jedem Wasser. Aber selbst der Buschmann kann nicht mehr aushalten. Schon sind sie alle erschöpft, abgemagert, der Magen knurrt, die Kehle brennt. Es gibt nur die eine Mög- lichkeit, Tod oder Durchbruch zum nächsten Wasser. Man läßt alles irgendwie Ent- behrliche zurück, Hausgeräte, Felle, und vorwärts geht's, so schnell jeder kann. Nackts wird gerastet, am Tage marschiert. Zuweilen findet man noch eine Knolle, eine Wurzel, eine letzte, saftlose Melone. Man sammelt die Kerne der reifen Melonen und röstet sie abends im Feuer. Man röstet die Sandalen, klopft sie, röstet sie und klopft sie von neuem, bis sie mürbe genug sind, dann werden sie gegessen. Ebenso behandelt man die alten, stinkenden Häute, und selbst die Ledermäntel folgen stückweise nach. Vielleicht rettet der Fund eines Nestes mit Straußeueiern der Familie das Leben. Wehe dem Kind, wehe dem Greis, wehe dem Kranken, die ans Hunger, Durst und Schwäche zurückbleiben! Niemand kümmert sich um sie, rettungslos sind sie verloren, verschollen, aber nicht vergessen. Im Bogen umgeht der Überlebende in Zukunft die Stätte des Jammers. Er fürchtet die Geister der nnbestatteten Toten. Am dritten, vierten, fünften Tage wird endlich das Wasser erreicht. Man muß sie gesehen haben, diese abgezehrten, schwankenden Gestalten, hohläugig, mit ein- gefallenen Gesichtern, fleischlosen Gliedern und skeleltartigem Brustkorb, der aus- fallend absticht gegen den dicken, runzligen, schlaffen und doch aufgetriebenen Bauch, der in der Not mit unverdaulicher Kost gefüllt wurde. Sie steigen in das Brunnenloch hinab, sie trinken und trinken. Andre schleppen sich hinterher. Mit dem Verlust einiger, unter Umständen zahlreicher Köpfe erreicht die Horde das Wasser. Das Leben ist zunächst gerettet, aber Not und Elend enden nicht. Das Feld ist vielleicht arm an Nahrung, abgesucht von zahlreichen Familien, wildarm, obwohl sich das Wild in dieser Jahreszeit, wie die Menschen, ans Wasser drängt. An den Sumpf- und Flußgebieten geraten die Buschmänner aber in die Hände der Neger, werden ihrer Habseligkeiten beraubt und zu Frondiensten herangezogen. Kurz, das Ende der Trockenzeit ist die schlimmste Zeit im Jahre. Die Regen erst bringen Er- lösung. Jubelnd zieht man wieder hinaus ins Sandfeld. Allein, oft genug bleiben die Regen aus. Statt Ende Noveniber fallen sie viel- leicht erst im Februar oder gar im März, wie z. B. im Jahre 1892/93. Tann erreicht die Not erst den Gipfel und lichtet in erschreckender Weise die Reihen der bereits durch Hunger ermatteten, verkommenden Häuflein. Man begreift kaum, wovon dann überhaupt die Bufchmäuner leben, wie sie es fertigbekommen, ihr elendes Dasein zu fristen.
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