1911 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Lerche, Otto
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt, Seminar
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
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B. Zur Länderkunde.
vermuten läßt, einst vereist. Jetzt mag die Schneegrenze in diesen Regionen bei 600 m
liegen. Gletscher reichen mit ihren Zungen bis in Seen hinein, die wenig über dem
Meeresspiegel liegen, und tauchen im Süden in die Fjorde. Bis zum Maipo hin macht
sich in großen Gebirgsseen und Moränenablagerungen die Eiszeit bemerkbar. Tie
Wasserscheide und die Kette der höchsten Erhebungen weichen oft voneinander ab.
Es ist vorläufig in den Tälern mit Bambusstreisen an den Bächen und mit Buchen-
grnppen, zwischen denen hie und da eine Hirschart in Rudeln weidet, nicht viel zu
holeu. Doch streiten die Kommissionen mit Erbitterung. Ein britischer Schieds-
sprnch wird hoffentlich der Spannung bald ein Ende machen.
Das chilenische Land ist keineswegs die einfache Abdachung der hohen Kordillere
gegen die Seeküste. Längs der Meeresküste zieht, von den Gebirgsbächen und weiter
im Süden von den Fjordtälern vielfach durchschnitten, eine Küsteukordillere aus
kristallinischen Massengesteinen. Schon in Nordamerika und in Peru begegueteu
wir dieser Erscheinung. Wir nennen die Küstenkette niedrig, und das ist sie im Ver-
gleich mit den Anden. Wir müssen uns aber vor Augen halten, daß sie vielfach unserem
deutschen Mittelgebirge an Höhe gleichkommt, ja vereinzelt sogar das Riesengebirge
überragt. Zwischen der hohen Kordillere und der Küstenkette erstreckt sich das chile-
nische Längstal. Im Norden kommt es zum Ausdruck hinter der Küsteukette von Jqui-
que in der Pampa de Tamarngal, in welcher inmitten der Salzsümpfe noch hier und
da Buschwälder stehen. Zum Teil sind sie verschüttet und werden in dem holzarmen
Gebiet als Brennmaterial ausgesucht, wenn sie nicht versteinert sind. Der Rio Loja
markiert durch den nach Norden gerichteten Teil seines Laufes das Tal sehr gut, dann
wird für eine längere Strecke die Ausbildung des Längstales weniger deutlich, be-
sonders an der schmälsten Stelle Chiles. Santiago liegt in nahezu 600 in Höhe in
einem Teile dieses Tales, durch dessen Ackerbaugefilde in eiuem allmählichen Auf
und Ab die Eisenbahn nach Süden führt bis zum Puerto Moutt am Binnenmeer
hinter Chiloe. Die breiten Hochwasserbetten der Kordillerenbäche nötigen auch da,
wo sie, wie im Norden Chiles, oft nicht einmal das Meer erreichen, zu vielen kost-
spieligen Brückenbauten. Das verzweigte Binnenwasser längs der Küste des Fest-
landes gibt uns des weitern die Richtuug des Längstales, die durch größere und
kleinere unters Meer tauchende Quertäler gegliederten Inseln und Schären sind die
aus dem Meere ragenden Teile der Küstenkordillere. Ein Land, welches sich 4500 km
in die Länge dehnt und vom Meeresspiegel zu Höhen über 6000 in ansteigt, muß eine
Fülle der verschiedensten Landschaftsbilder innerhalb seiner Grenzen darbieten. Wir
beginnen, ohne Rücksicht auf die politischen Unterabteilungen zu nehmen, mit der
Darstellung des Mittellandes, der Umgebung der beiden wichtigsten Städte Val-
paraiso und Santiago. In ihnen leben fast 400 000 Menschen und davon zwei Drittel
in der Hauptstadt, welche mit dem Hafen Valparaiso durch eine 163 km lange Eisen-
bahn verknüpft ist. Valparaiso liegt an einer halbmondförmigen, gegen Südwesten
geschützten Bucht und steigt von dem schmalen Strande, auf welchem mit Ausnahme
einiger Villen vor wenigen Jahrzehnten die kleine Siedelung beschränkt blieb, amphi-
theatralisch an den Berglehnen empor. Wer die Bilder der kahlen Hafenplätze Perus
und Nordchiles noch in Erinnerung hat, freut sich über die Kokospalmen, welche der
im Sommer ziemlich öden Küstenlandschaft zur Zierde dienen. Einer grünenden
Oase gleicht Quillota, zwischen dessen Obstgärten, Weingärten und Feldern uns
zuerst die in der Umgebung Santiagos so reichlich vertretenen Pyramidenpappeln
entgegentreten. Ihre Reihen begleiten sogar die Eisenbahnstrecken. Über die Küsten-
kordillere gelangen wir ins Hochtal von Santiago. Inmitten der wegen der Erd-