1909 -
Leipzig
: Hirt
- Autor: Dahmen, Joseph
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schultypen (WdK): Höhere Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Mädchenschule
- Geschlecht (WdK): Mädchen
2. Erste Regierungshandlungen.
117
An Mein Volk!
Gottes Ratschluß hat über uns aufs neue die schmerzlichste Trauer-verhängt. Nachdem die Gruft über der sterblichen Hülle Meines unvergeßlichen Herrn Großvaters sich kaum geschlossen hat, ist auch Meines heißgeliebten Herrn Vaters Majestät aus dieser Zeitlichkeit zum ewigen Frieden abberufen worden. Die heldenmütige, aus christlicher Ergebung erwachsende Tatkraft, mit der Er Seinen königlichen Pflichten ungeachtet Seines Leidens gerecht zu werden wußte, schien der Hossnuug Raum zu geben, daß er dem Vaterlande noch länger erhallen bleiben werde. Gott hat es anders beschlossen. Dem königlichen Dulder, desseu Herz für alles Große und Schöne schlug, sind nur wenige Monate beschieden gewesen, um auch auf dem Throne die edeln Eigenschaften des Geistes und Herzens zu betätigen, welche Ihm die Liebe Seines Volkes gewonnen haben. Der Tugenden, die Ihn schmückten, der Siege, die Er auf den Schlachtfeldern einst errungen hat, wird dankbar gedacht werden, solange deutsche Herzen schlagen, und unvergänglicher Ruhm wird Seine ritterliche Gestalt in der Geschichte des Vaterlandes verklären.
Auf den Thron Meiner Väter berufen, habe Ich die Regierung im Ausblick zu dem König aller Könige übernommen und Gott gelobt, nach dem Beispiele Meiner Väter Meinem Volke ein gerechter und milder Fürst zu sein, Frömmigkeit und Gottesfurcht zu pflegen, den Frieden zu schirmen, die Wohlfahrt des Landes zu fördern, den Armen und Bedrängten ein Helfer, dem Rechte ein treuer Wächter zu sein.
Wenn Ich Gott um Kraft bitte, diese königlichen Pflichten zu erfüllen, die Sein Wille Mir auferlegt, so bin Ich dabei von dem Vertrauen zum preußischen Volke getragen, welches der Rückblick auf unsre Geschichte Mir gewährt. In guten und in bösen Tagen hat Preußens Volk stets treu zu seinem Könige gestanden; auf diese Treue, deren Band sich Meinen Vätern gegenüber in jeder Zeit und Gefahr als unzerreißbar bewährt hat, zähle auch Ich in dem Bewußtsein, daß Ich sie aus vollem Herzen erwidere, als treuer Fürst eines treuen Volkes, beide gleich stark in der Hingebung für das gemeinsame Vaterland. Diesem Bewußtsein der Gegenseitigkeit der Liebe, welche mich mit Meinem Volke verbindet, entnehme Ich die Zuversicht, daß Gott Mir Kraft und Weisheit verleihen werde, Meines königlichen Amtes zum Heile des Vaterlandes zu walten.
Potsdam, den 18. Juni 1888. Wilhelm.
Eröffnung des Reichstages. Am 25. Juni 1888 eröffnete Kaiser Wilhelm Ii. zum erstenmal den Deutschen Reichstag.
Zu dieser Feier waren sämtliche Fürsten der deutschen Staaten und die Bürgermeister der Freien Reichsstädte erschienen. Auf dem Throne