1900 -
Glogau
: Flemming
- Autor: Hanncke, Rudolf
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
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noch, und in Quito, wo ein ewiger Frühling herrscht, sind Sämann
und Drescher gleichzeitig beschäftigt. Echt charakteristisch klimmt die
Vegetation hier auch noch zu Höhen hinan, wo bei uns in Europa
bereits alles Leben erstorben ist. Die Hochebenen der Anden liefern
reiche Getreideerten und sind von stark bewohnten Städten besetzt,
wie in Potosi bei 4000 m Höhe, obschon dem Fremdling in der
dünnen Lust das raschere Gehen bereits Atembeschwerden macht. In
Peru, ihrem eigentlichen Heimatlande, wächst die Kartoffel bei 4300 m
Höhe, unweit der Grenze des ewigen Schnees. Und nun erst der
Gras- und Wiesenteppich der Prairieen mit ihren leuchtenden Farben-
tönen, wo rote Blumen, vor allem die Georginen, dem Auge die
seltenste Augenweide bieten. Da spricht man mit vollem Recht von
„einem grünen Ocean", der jetzt allerdings vor der mächtig vorschreiten-
den Ackerbaukultur westwärts zurückweichen muß. Nichts ist daher
auch bezeichnender für Amerika, als die so häufig wiederkehrenden
Bezeichnungen einzelner Landschaften als eines Gartengeländes und
eines Blumenangers, wie Chile der Garten der neuen Welt heißt
und Chicago die Gartenstadt, Paramaribo der Blumengarten, die
vom Golfstrom umflossene Halbinsel Florida von den Blumen ihren
Namen hat und selbst ins Meer hinaus noch St. Croix und Haiti
Garten der Antillen und Westindiens genannt werden.
Der Frondosität des Erdteils entspricht der Reichtum an Tieren,
nur daß bei der großen Feuchtigkeit, die wir wenigstens in Süd-
amerika haben beobachten müssen, mehr Vögel, Insekten und Rep-
tilien gedeihen und die Tiere höherer Ordnung schwächer vertreten
sind als in der alten Welt. Namentlich in der trockenen Jahreszeit
wimmeln die Landschaften Südamerikas von Getier aller Art; Hum-
boldt schrieb von Cumana aus an seinen Bruder: Welche Farben
der Vögel, der Fische, ja selbst der Krebse (himmelblau und gelb)!
Wie die Narren laufen wir bis jetzt herum, und Bonpland versichert,
daß er von Sinnen kommen werde, wenn die Wunder nicht bald
aufhörten. In der Nacht erhebt sich ein Höllenlärm im Urwald,
die Heultöne der Affen bilden den Grundton in dem infernalischen
Konzert, und dazu gesellt sich bei Tage das Gekreisch der grünen
Papageien, die in den Waldbäumen sitzen und Kapseln und Beeren
von ihrem Fräße wie ein Schloßenwetter auf die harten Blätter
herunterfallen lassen. Der Europäer wird den anmutigen Gesang
unserer Waldvögel sehr vermissen, und auch in Nordamerika entbehren
die Wälder die süßen Melodieen unserer gefiederten Lieblinge. Für
die Anmut muß hier wiederum die Kolossalität der Erscheinungs-
formen entschädigen. Der Kondor, „der Bote der Sonne", mit 4 m
Flügelspannung weilt am liebsten in den höchsten Luftschichten der
Anden (bis zu 7000 na), und wenn er „aus solcher Höhe in die
glühende Ebene hinabschießt, fährt er in einer Minute durch alle