1910 -
Leipzig
: Hirt
- Autor: Dahmen, Joseph
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schultypen (WdK): Höhere Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Mädchenschule
- Geschlecht (WdK): Mädchen
38 7. Römer und Germanen vom Tode des Kaisers Augustus bis zum Tode Armins.
binden. Zeuge ist mir jene Nacht — wäre sie meine letzte gewesen! Was weiter erfolgte, ist eher zu beweinen, als zu verteidigen. Übrigens habe ich Anninius in Ketten gelegt, und mir Ketten von seiner Partei anlegen lassen müssen; und nun, bei der ersten Gelegenheit dich zu erreichen, ziehe ich das Mte dem Neuen, die Ruhe dem Sturme vor; nicht um einer Belohnung willen, sondern um mich zu befreien von dem Verdachte der Treulosigkeit; zugleich als ein geeigneter Vermittler für den Stamm der Germanen, wenn er Reue lieber will als Verderben. — Für den jngend-lichen Fehltritt meines Sohnes bitte ich um Nachsicht; meine Tochter — ich gestehe es — ist nur durch Zwang hierhergeführt. Der Cäsar versprach in einer gnädigen Antwort seinen Kindern und Verwandten Sicherheit, ihm selbst einen Wohnsitz in der alten Provinz1. Das Heer führte er heim und nahm den Jmperatortitel an, den Tiberins ihm verlieh. Arminius' Gattin gebar ein Kind männlichen Geschlechtes; der Knabe ward zu Ravenna aus erzogen; mit welcher Schmach er bald danach zu ringen hatte, werde ich seinerzeit erwähnet!2.
59. Ms das Gerücht sich verbreitete, Segestes habe sich ergeben und wohlwollende Aufnahme gesunden, ward es, je nachdem jeder dem Kriege abgeneigt war oder ihn wünschte, mit Hoffnung oder Schmerz vernommen. Arminius trieb außer feiner angeborenen Heftigkeit der Gedanke, daß seine Gattin ihm entrissen sei, daß ferner Gattin Leib die Sklaverei tragen solle, zu wahnsinniger Wut. Er flog hin und her durch das Cheruskerland, Waffen gegen Segestes, Waffen gegen den Cäsar fordernd. Auch der Schimpfreden enthielt er sich nicht. Das sei ein vortrefflicher Vater, ein großer Feldherr, ein tapferes Heer, die mit ihren zahllosen Armen ein einziges schwaches Weib fortgeschleppt hätten. Ihm seien drei Legionen, ebenso viele Legaten unterlegen. Denn nicht mit Verrat, noch gegen Frauen, sondern in offnem Kampfe gegen Bewaffnete führe er Krieg. Noch seien in der Germanen Hainen die römischen Feldzeichen zu sehen, die er zu Ehren der heimischen Götter aufgehängt habe. Möchte immerhin Segestes das geknechtete Ufer bewohnen, möchte er immerhin dem Sohne zu feinem Priestertum verhelfen; das eine würden die Germanen nimmer zu entschuldigen vermögen, daß sie zwischen Elbe und Rhein Ruten und Beile und die Toga gesehen. Andre Stämme, die römische Herrschaft nicht kennten, hätten römische Strafen nie gefühlt, wüßten nichts von Abgaben; da sie das alles von sich abgeschüttelt, da unverrichteter Sache jener den Göttern zugesellte Augustus, jener vor allen auserkorene Tiberins3 abgezogen sei, möchten sie nicht vor einem unerfahrenen Jünglinge, vor einem ans fetzigen Heere beben. Wenn sie das Vaterland, die Väter, die alten Satzungen mehr liebten als Zwingherren und neue Kolonien, möchten sie lieber sich von Arminius zu Ehre und Freiheit, als von Segestes zu schmählicher Knechtschaft führen, lassen.
60. Aufgereizt wurden durch solche Reden nicht die Cherusker allein, sondern auch die angrenzenden Stamme; auch Jnguiomerus ward zu ihnen hinübergezogen, der Oheim des Arminius, der bei den Römern in altbegründetem Ansehen stand. Es wuchs dadurch dem Cäsar die Besorgnis, und damit der Krieg nicht auf einmal mit voller Wucht hereinbräche, sandte er, um die Feinde auseinanderzuhalten, Cäcitta mit vierzig römischen Kohorten durch das Bruktererland an den Fluß Ems; die Reiterei führte Pedo, ihr Präfekt, durch das Gebiet der Friesen. Er selbst fuhr mit vier auf
1 Aus dem gallischen Rheinuser, wie namentlich aus dem folgenden Kapitel hervorgeht.
2 Die hier versprochene Erzählung ist verloren.
3 Es ist nicht klar, ob auserkoren zur Leitung des Krieges oder zur Nachfolge in der Herrschaft. Letzteres ist wahrscheinlicher, da sonst dasselbe für Germanikus gelten würde.