1885 -
Bielefeld
: Velhagen & Klasing
- Autor: Kopka, C., Baenitz, Karl Gabriel
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Gehobene Lehranstalt, Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
254 Kursus Iii. Abschnitt Iv. § 151.
(§ 151). Iii. Kaukasien. (Kursus Ii, § 139, 1.)
Der Kaukasus, welcher den Isthmus zwischen dem kaspischeu und dem schwarzen
Meere als mächtiges Kettengebirge von 80. nach Nw. durchzieht, ist aus Mangel
an Pässen und Längenthälern, welche die Alpen in so großer Zahl und Aus-
dehnnng besitzen, schwer zugänglich und von jeher der trennende Grenzwall
zwischen Europa und Asien gewesen. Erst in ueuerer Zeil haben die Russen die
einzige Kuuststraße über den Kaukasus hergestellt; sie verbiudet Wladikawkas
am Terek mit Tislis an der Kura und überschreitet den Kamm des Gebirges
am Ostfuße des Kasbek in einer Höhe von 2400 m.
Der Kaukasus prangt besonders an der Südseite im nordwestlichen Teil, wo
er vom schwarzen Meere reiche Niederschläge erhält, im Schmuck herrlicher Wälder;
Walnußbaum und Kastanie herrschen in den niedrigen Regionen vor. In den
höheren Gebieten gedeihen vortrefflich die nordeuropäischen Getreidearten und in deu
niederen Mais, Hirse und Reis; die Weinrebe rankt sich an den Bäumen in einer
Stärke empor, wie man sie sonst nirgends findet.
Ärmer an Niederschlägen ist der östliche Kaukasus; daher rückt hier die Schnee-
grenze um 1000 m hoher (2700 m im W., 3700 m im 0.). Besonders scharf
tritt dieser Unterschied der atmosphärischen Bewässerung des westlichen und öst-
lichen Kaukasus in der Natur der beiden Tiefebenen hervor, welche sich an seinem
Fuße ausbreiten. Die kleinere Ebene des Rion im W., das sagenberühmte
Kolchis, ist bei einer zu reichen Bewässerung stellenweise versumpft, die größere
Ebeue der Kura dagegen eine dürre, wüste Steppe. Beide Ebenen trennt
ein niedriges Bergland (meskische Gebirge), welches das armenische Hochland
mit dem Kaukasus verbiudet. Das ganze Gebiet durchzieht jetzl eine Eisenbahn,
welche von Poti am schwarzen nach Baku am kaspischen Meere führt. An dieser
wichtigen Verkehrsstraße liegt anch Tiflis, die Hauptstadt von Kaukasien.
Tislis hat sich bei seiner günstigen Lage im Knotenpunkt wichtiger Straßen zu
einer bedeutenden Handelsstadt entwickelt. Hier kreuzt die Eisenbahn die Kaukasusstraße,
welche über Kars nach Erserum führt. Diese Stellung zwischen Asien und Europa verleiht
Tislis einen halb europäischen, halb orientalischen Charakter, der überall in dem Handel und
Wandel der europäischen und orientalischen Bewohner hervortritt.
Baku, am kaspischen Meere, durch seine „ewigen Feuer" bekaunt, liegt in
einem der größten Naphthabezirke. —
Die Bevölkerung des Kaukasus besteht aus vielen Volksstämmen, welche durch ihre
Zugehörigkeit zu einer Völkerfamilie unter einander nahe verwandt, wegen der Beimischung
fremder Volkselemente und wegen ihrer Abgeschlossenheit in unzugänglichen Thälern wieder
individuell sehr verschieden sind. Alle gehören zur kaukasischen Rasse und bringen sogar den
Typus derselben in höchster Reinheit und Idealität zum Ausdruck (Georgier, Tscherkessen).
Freiheitssinn, Kampf- und Fehdelnst, welche in der Sitte der Blutrache reiche Nahrung
findet, aber auch Raubsucht, Treulosigkeit und Härte sind für die Bergstämme charakteristisch.
Die Bewohner der Ebene neigen dagegen wohl unter der Einwirkung des heißen Klimas zur
Indolenz und trägen Sorglosigkeit.
Die Völker des Kaukasus zerfallen in die iberische oder kartwelische, westkaukasische und
ostkaukasische Gruppe.
Die iberische, kartwelische oder christliche Gruppe, wie man sie im Gegensatz zu
den mohammedanischen Stämmen der beiden andern Gruppen nennen kann, umfaßt das
alte Kulturvolk der Georgier oder Grusler; sie bewohnen mit kleineren nahe verwandten