1914 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Seydlitz, Ernst von, Dilling, Gustav, Lütgens, Rudolf
- Auflagennummer (WdK): 7
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Hamburg
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
56 Ortsbeschreibung d. inneren Stadt (Alt- u. Neustadt), St. Georgs u. St. Paulis. § 12.
lore bis gegen die St. Pauli-Kirche, der ehemaligen ,.Hamburger Bergkirche",
hin hat zum größten Teile im Zusammenhange mit der Glacis-Anlage der
neuen Festungswerke stattgefunden. Aus der Rücksicht auf die Sturmfr-iheit
der letzteren erklärt sich auch die Eigentümlichkeit der Bebauung der ehemaligen
St. Pauli-Vorstadt, welche sich nicht von der Stadt Hamburg gegen die Altonaer
Grenze, sondern in umgekehrter Richtung vollzogen hat, so daß St. Pauli
topographisch mehr als ein Zubehör von Altona als von Hamburg erscheint-
der weite Zwischenraum des Heiligengeistfeldes und der ehemaligen
Reeperbahnen, die dort von 1624 bis in die neuere Zeit sich befanden,
mußte eben unbebaut bleiben.
Das nahezu dreieckige Heiligegeistfeld ist fast 29 ha groß. Etwa den 7. Teil des
ganzen Stadtteiles einnehmend, bietet es den geeigneten Raum für größere Schau-
und Ausstellungen. Der Name kommt zuerst 1497 vor und erinnert daran, daß das
Feld bis zum Jahre 1622 dem Hospitale zum Heiligen Geist gehörte, das diesen
Besitz zur Zeit des Festungsbaues der Stadtkämmerei in Tausch gegen Ländereien
in Horn überließ.
Vom Turnverein Hamburg-St. Pauli ist 1902 nahe der Südecke des Heiligen-
geistfeldes eine stattliche Turnhalle errichtet worden. Am nordwestlichen
Ende des Heiligengeistfeldes, welches sehr nahe an die Altonaer Grenze heran-
tritt, wird seit langem lebhafter Viehhandel betrieben, welcher Umstand die
Anlage eines Zentral-Viehhofes und eines umfangreichen Zentral-
Schlachthofes veranlaßt hat. In der unmittelbaren Nähe des letzteren ist
ein zweites Elektrizitätswerk erbaut worden.
Was einem großen Teile St. Paulis den eigenartigen Charakter verleiht, das
ist das überaus bunte und lebhaste Treiben, das in ihm als dem Bindeglieds zwischen
zwei volkreichen Städten naturgemäß sich entfaltet und durch die Berührung mit dem
Verkehre auf und am Elbstrome gesteigert wird. Daher finden sich hier, besonders
aber auf dem „Spielbudenplatz", zahlreiche Vergnügungslokale, Theater, Konzert-
hallen, Schankstätten, welche namentlich dem Straßenzuge zwischen dem Millern- und
dem Nobistore anliegen.
Durch den Einschnitt der Sylter Allee von dem Seemannshause getrennt,
bietet die Höhe, auf der Wiezels Hotel und der am 30. September 1905
eingeweihte stattliche Neubau der Navigationsschule sowie weiterhin der
Neubau des Institutes für Schiffs- und Tropenkrankheiten stehen,
einen der schönsten Blicke auf den Elbstrom und seine Ufer, wenn auch nach
den Veränderungen in den Liegeplätzen der Schiffe, welche infolge des Zoll-
anschlusses nötig geworden sind, das Bild des Niederhafens sich wesentlich zu
seinem Nachteile verändert und das echt seestädtische Treiben am Johannis-
bollwerk und in der Nachbarschaft der neuerdings neugebauten und erheblich
vergrößerten St. Pauli-Landungsbrücken, an deren Ufermauer der Flut-
messer steht, sehr an mancherlei bezeichnenden alten Zügen verloren hat. Dafür
ist allerdings durch den stark wachsenden Verkehr der Fremden, die von hier
aus die Hafenrundfahrten und Schiffsbesichtigungen antreten, und durch den
neuen Elbtunnelverkehr1 ein neues Bild entstanden.
Von milden Stiftungen sind in St. Pauli das Israelitische Kranken-
haus und das Laeiszstift zu erwähnen.
1 Der Elbtunnel ist rund 500 m lang. Große Fahrstühle befördern Fuhrwerke
und Personen in die Tiefe der zwei Tunnel von je 6 m Durchmesser, die 21 m unter
Hochwasserspiegel liegen. Baukosten rund 11 Mill. Mark.