1875 -
Leipzig
: Brandstetter
- Autor: Grube, August Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 14
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrer- und Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
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schwingt und das Eisen führt — diese ersten einfachen Werkzeuge, welche
das Wappenbild des Bergmanns bilden, die aber fteilich schon seit Jahr-
hunderten durch Bohrer und Pulver ersetzt sind. Das „Glückauf" des ein-
fahrenden Knappen und das „Komm gesund wieder!" des Dankenden, der
„über Tag" bleibt, das „Macht gesund Schicht!" des von der Arbeit
Abgelösten und der Wunsch des Andern: „Fahr gesund aus!" finden sich
überall in den deutschen Bergrevieren.
Doch treten wir nun in das thurmähnliche Gebäude, welches den
Schacht überbauet. Die mehr oder weniger gesenkte Oeffnung von pris-
matischer Gestalt, etwa 18 Fuß lang und 6 Fuß breit, ist das Mundloch
des Schachtes, der auf den Ausstreichenden des Erzganges zunächst be-
gonnen, und, wie die Erzader fiel, auch abgesenkt wurde, so daß der Fall
bald vom senkrechten „saigern Schacht" zum flachgehenden „Schloppschacht"
überspringt. Der Schacht ist die große Heerstraße der Knappen, aus der
sie ein- und ausfahren. Neben ihrem Wege fördern mächtige Tonnen die
Erze aus der Grube und schütten sie oben von selbst aus. Aus der Tiefe
schallt lautes Rauschen herauf, ähnlich einem Wasserfall, der sich wild über
Felsen stürzt. Weit und breit auf der ganzen Oberfläche des Gebirges
sammelt man jeden Tropfen des flüssigen Elements, das als Regen zur
Erde fällt oder als Schneewafier die kleinen Bäche speist, in ziemlich
großen Teichen. Von diesen aus führen lange Rinnen die streng vertheilten
Wasser nach den Gruben, wo sie als Aufschlagwaster auf die vielen Räder
stürzen, die unten im Bergwerk in den Radstuben hängen, und nicht bloß
die Tonnen in die Höhe führen, sondern auch die Pumpen in Bewegung
setzen, welche das in der Grube angesammelte Wasser zur Oberfläche treiben
und aus der untersten Tiefe emporheben. So werden die einen Wasser
aus der Tiefe hervorgeholt, die andern fallen sprungweise von Rad zu
Rad hinab bis in den Stollen (einen wenig geneigten, fast horizontalen
Gang), der dann die ganze Waffermaste oft meilenweit in ein tieferes
Thal des Gebirges führt. Je tiefer der Stollen liegt, desto größer ist die
Macht der Aufichlagwasser, und aus desto größeren Tiefen kann man das
Grubenwaffer heben. Je mehr Master man einer Grube zuführen kann,
und je höher dasselbe herabfällt, desto bester geht der Bergbau von Statten;
aus Mangel an Master — ein seltsamer Widerspruch — mußte eine Grube
ersaufen. Doch haben in der letzten Zeit die Dampfmaschinen gute Dienste
geleistet, den Stollen unabhängig zu machen von den Wafferrädern und
langen Wasterkanälen.
Tag und Nacht arbeiten diese Räder und Stempel, die Lebensorgane
der Grube. Wie die Zusammenziehungen des Herzens das Leben destelben
verrathen, so ist das Glöckchen, das bei jedem Umgang am Kunstgezeug
erklingt, der hörbare Pulsschlag der Wasteradern, die ihren Inhalt zur
Oberfläche der Erde schaffen. Wenn dieses Glöcklein verstummt, dann ist
Todesgefahr da unten; es fehlt an frischer Luft, böse Wetter bedrohen die
Arbeiter, oder die Maschine kann die sich anhäufende Waffermaste nicht