1875 -
Leipzig
: Brandstetter
- Autor: Grube, August Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 14
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrer- und Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
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sie fast ganz nördlich in's Waadtland und rauscht eng zusamniengezwängt
durch das riesige Felsenchor, das die vent de Mordes mit der gegen-
überstehenden Vent du Midi (Mittagshorn) bildet. Die Ebene, welche die
Rhone nun von der Walliser Grenze bis zu ihrer Mündung in den See
durchfließt, ist 6 Stunden lang und von ungleicher Breire. Je nach den
Windungen der Berge rückt sie bald vor und tritt bald zurück, trifft hier
auf Marmorfelsen, dort auf Weinberge und Kastanienwälder. Auf mitt-
lerer Bergeshöhe erscheinen und verschwinden zahlreiche Dörfer, über diese
erheben sich dunkle Wälder, dann grüne Weiden und einzelne Sennhütten.
Auf der Walliser Seite kann sich das Auge nicht satt sehen an der schönen
Form und der Großartigkeit der Gebirge, an der Anmuth ihrer Krüm-
mungen und an der Fruchtbarkeit ihrer vom schönsten Baumwuchse be-
schatteten Abhänge; hier an der auf einer Halde ruhenden Kapelle, dort
am geheimnisvollen Thale, und überall an dem Reichthum und der Far-
benpracht der Natur. Es scheinen die Alpen einen Gefallen daran gefunden
zu haben, dem majestätischen Strome ein würdiges Bette zu bereiten, und
bei seiner Annäherung zum See schmücken sie sich vollends, gleichsam um
seine Ankunft zu feiern, mit neuer Pracht und Größe. In zwei Arme
getheilt wälzt sich die Rhone durch die breiter gewordene Ebene fort und
ergießt endlich ihre brausenden und schlammigen Fluchen in den Leman*),
der zurückweicht, als hätte er Furcht, daß bei diesem Zusammentreffen der
tief - blaue Krystall seines Gewässers befleckt werden möchte. Doch wider-
steht er, und es kommt zwischen ihnen zum Kampf. Der schäumende Strom
und der blaue See werden handgemein, und eilt der Nordwind dem Leman
zu Hülfe, so fahren die Wellen enlpor und stürzen von vorn und von der
Seite auf den feindlichen Strom, setzen ihm hart zu und treiben ihn in
die Enge. Man glaubt zwei kämpfenden Heeren zu begegnen; darum
haben die Uferbewohner diesem Streite auch den Namen „In bataillère“
beigelegt. Fährt ein Nachen über die wogende Fläche, so verspürt er an
den heftigen Stößen den Zorn der Fluchen. Noch eine Viertelstunde weit
vom Ufer ist der Aufruhr fühlbar. Endlich ergiebt sich der Strom in die
Nothwendigkeit, in das blaue Grab hinabzusteigen, aus dem er 20 Stun-
den weiter unten reiner und schöner wieder hervortritt.
Der See bespült den Fuß des Jura und der Alpen, das Savoyer-
land und den Schweizer - Canton Waadt; sein Heller Halbmond biegt sich
von Genf nach Neustadt (Villeneuve). Von der geringen Breite bei Genf
erweitert er sich zu der ansehnlichen zwischen Evian und St. Sulpice von
3 Stunden. Am nördlichen Ufer mißt seine Länge 19 Schweizer Stun-
den, am südlichen (französischen) Ufer 15 Schweizer Stunden. Der Flächen-
inhalt beträgt ll1j2 geogr. Q. - Meilen, also 2 Q. - Meilen mehr als der
*) Der Waadtländer nennt, mit einem gewissen Stolze, den See, von dem er
den größten Theil des Ufers besitzt, nicht Genfersee, sondern Leman — Lacus Le-
manus der Römer, im Mittelalter Lac Losannete, Mer du Khone (Rhone-Meer),
jetzt Lac de Genève (Genfersee).