1875 -
Leipzig
: Brandstetter
- Autor: Grube, August Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 14
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrer- und Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
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Unter den Bewegungen sind die horizontalen Schwingungen die häu-
figsten; sie bringen bei der leichten Bauart der Wohnungen am wenigsten
Schaden. Verticale (senkrechte) Stöße sind meistens heftig, sie reißen die
Wände und heben die Gebäude aus ihren Fundamenten. Den heftigsten
vertiealen Stoß fühlte ich am 4. Juli 1830 Abends 7ffz Uhr in den Ur-
wäldern des Chanchamayo-Gebietes. Bor meiner Hütte lag ein großer
ungeheurer Baumstamm, der mit seinem untern Ende aus dem Wurzel-
stocke auflag; ich war gegen den Stamm gelehnt und las, als plötzlich mit
einem mächtigen Rucke der Stanem etwa anderthalb Fuß aufgeworfen und
ich rücklings über denselben weggeschleudert wurde. Durch den nämlichen
Stoß wurde der nahe gelegene Fluß Aynamayo aus seinem Bette gehoben
und änderte in langer Strecke seinen Laust
Häufig fühlte ich in Lima eine Art rotatorische (drehende) Erschütte-
rung. Sie besteht weder in einem Schwanken, noch in einem Stoßen,
sondern in einem raschen, heftigen Zittern, ähnlich dem, das hervorgebracht
wird, wenn man Jemanden an den Schultern faßt und ihn rasch schüttelt,
oder besser dem Beben, das man an Bord eines Schiffes in den: Augen-
blicke fühlt, wenn der Anker aus den Boden aufschlägt. Ich glaube, es
sind sehr kurze und unregelmäßige horizontale Schwingungen, deren
Unregelmäßigkeit sie eben gefährlich macht. Ganz schwache Erdbeben
dieser Art reißen die Balken aus ihren Fugen und stürzen Dächer ein,
lassen aber die Seitenwünde unversehrt, die sonst am ersten und meisten
leiden.
Lufterscheinungen sind häufige, aber nicht untrügliche Borboten von
Erdbeben. Schwüle Lust, lichte, schmale, hohe Wolkenstreisen, ein düsterer,
schwärzlich gefärbter Horizont geben immer Befürchtungen Raum, die mei-
stens in Erfüllung gehen. Bor dem schrecklichen Erdbeben von 1746 sah
man mehrere Nächte hindurch zwischen Lima und Callao feurige Dänipfe
aufsteigen, welche die Erde aushauchte.
Biele Menschen haben eine Vorahnung von einem bevorstehenden
Erdbeben. Sie empfinden ein unnennbares Gefühl von Angst und Un-
ruhe, ein Zusammenpressen auf der Brust, als lägen centnerschwere Lasten
auf ihr, eine fruchtlose Anstrengung, diese Last abzuwerfen, einen momen-
tanen Schauer, der den ganzen Körper durchläuft, oder ein plötzliches
Zittern an allen Gliedern. Ich habe selbst ähnliche Einpfindungen zu
verschiedenen Malen an mir selbst wahrgenommen, und kann versichern,
daß es wohl kaum eine peinlichere Stimmung als diese giebt.
Die Lufterscheinungen während und nach dem Erdbeben sind sehr
verschieden; meistens ist die Atmosphäre ganz ruhig, zuweilen aber stür-
misch bewegt. In Gegenden, wo es nie regnet, treten oft nach Erdstößen
anhaltende Regentage ein. Sehr merkwürdig ist auch die Wirkung auf
die Fruchtbarkeit des Bodens. Vielfältige Beobachtungen haben gezeigt,
wie nach sehr heftigen Erschütterungen üppige Felder verödeten und meh-
rere Jahre lang nichts tragen wollten.