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1. Charakterbilder deutschen Landes und Lebens für Schule und Haus - S. 41

1875 - Leipzig : Brandstetter
41 tausendfaches Leben hervorruft, scheint hier einem ewigen Tode verfallen. Man kann stundenlang der Straße folgen, ohne einem Wagen, einem Wanderer zu begegnen; kaum läßt ein einsamer Vogel seine Stimme hören, die wie eine Klage durch die Oede schallt. Doch dort zeigt sich ein Schäfer, der, in weißwollenem Mantelkragen auf einem Erdwalle sitzend, langsam strickend die rochen Finger bewegt. Winzige Schafe von struppigem und schmutzigem Aussehen bewegen sich in possierlichen Sprüngen um ihn her. Es sind dies die Haidschnucken, deren Wolle einst ein Leipziger Kaufherr für Hundshaar erklärte. Hier in diesen Gegenden wird, wenn irgendwo, die Eisenbahn eine unendliche Wohlthat sein; sie wird, in weit höherem Grade als die öden Landstraßen, als Brennpunkt des Verkehrs und der Cultur dienen, und nebenbei wird der Reisende den Vortheil haben, in möglichst schneller Zeit die braune Oede zu überwinden. Man könnte den Großherzog von Oldenburg den Pharao mit den sieben fetten und den sieben mageren Kühen nennen; die sieben mageren sind die Geest, die sieben fetten die Marsch. Marsch, ein Wort, das sprachlich und sachlich an das lateinische mare und das französische marais erinnert, heißen die fetten Niederungen an den Flußmündungen und Meeresküsten, die jenen Mündungen benachbart sind. Ein eigenthüm- licher, durch Anschwemmung gebildeter, schwerer Thonboden, Klei ge- nannt, der neben Thon, Lehm und Sand auch Torf und andere Pflanzentheile, Muscheln, Infusorien und überhaupt verschiedene thieri- sche Ueberreste enthält, verleiht der Marsch die außerordentliche Frucht- barkeit, wovon Weiden und Fruchtfelder ein glänzendes Zeugniß ab- legen. Ist der Süden des Herzogthums das Hauptgebiet der Geest, so ist der Norden das der Marsch. Der großen, im Nordwesten und Nord- osten gelegenen Marschen Jeverland und Butjadingen ist schon oben ge- dacht. Ein dritter Marschdistrict ist das Stedinger Land an der Weser und untern Hunte, das, im Gegensatze zu jenen, bloße Flußmarsch ist. In alten Zeiten erstreckte sich die Wesermündung über dieses dem Wasser abgetrotzte Gebiet. Alles Marschland muß durch hohe, sehr kostbare Dämme, Deiche genannt, gegen das andringende Meer geschützt werden. Besondere Ge- fahr bringt das Zusammentreffen von Spring - und Sturmfluth, wenn nämlich der höchste Standpunkt der Fluth, der beim Voll- und beim Neumond ungewöhnlich schnell eintritt, durch einen auf das Land we- henden Sturm noch gesteigert wird. Zu verschiedenen Zeiten sind Sturm- fluchen für das oldenburger Tiefland verderblich gewesen, ja der ganze Jahdebusen ist ein ungeheures Grab, worin eine Menge Ortschaften, deren Namen noch bekannt sind, seit drei, vier und sechs Jahrhunderten versunken liegen. Um die Marsch zu entwässern, sind eine Menge Kanäle, sogenannte
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