1910 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Seydlitz, Ernst von, Doormann, Otto, Scholz, Oskar
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Lübeck, Schleswig-Holstein
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Landeskunde der Provinz Schleswig-Holstein.
3. Die Vorgänge bei der Vereisung haben wir uns ebenso zu denken, wie sie
bei den Gletschern der Alpen zu beobachten sind. Die Gletscher haben die Eigen-
tümlichkeit, daß sie sich den Formen ihres Bettes anschmiegen, aber auch alles irgend-
wie bewegliche Material, das sie auf ihrem Wege finden, in sich aufnehmen und mit
sich führen. Größere und kleinere Gesteine rollen von den Talabhängen auf sie
herab und bilden die Oberflächenmoränen (Seiten- und Mittelmoränen). Gesteins-
blöcke, die sie von unten in sich aufnehmen, oder die von oben durch die Spalteu
bis an die untere Fläche des Gletschers gedrungen sind, polieren und kritzen wie
Zähne die Felsen, zermalmen weicheres Material und werden dabei selbst zermalmt.
Dringt man durch das Gletschertor unter die Eismasse, so findet man, daß diese nicht
unmittelbar auf dem Felsboden ruht, sondern durch eine Lage von Sand, Grus
und Schlamm mit eingebetteten Steinblöcken davon getrennt ist (Grundmoräne).
Wo der Gletscher sein Ende erreicht, türmt sich, zusammengesetzt aus dem Material
von Oberflächen- und Grundmoräne, eine Endmoräne auf. Zieht der Gletscher
sich zurück, so breitet sich die Endmoräne zu einer größeren, verhältnismäßig ebenen,
aus losen Trümmermassen gebildeten Stufe aus. Dringt er aber vor, so schiebt
er das lockere Material der Endmoräne vor sich her und zu wallartigen Endmoränen
zusammen.
4. Wo das Inlandeis ein ganzes Land bedeckt hat, fehlt die Oberflächenmoräne
fast ganz. Aber sonst sind die Erscheinungen dieselben. Auf seinem langen Wege
von Skandinavien nach S nahm der Gletscher, der unser Land bedeckte, überall den
Witterungsschutt des Bodens in sich auf und führte von Skandinavien eine Menge
von Felsblöcken, größeren und kleineren Steinen, Grus und Sand, in den unteren
Eisschichten eingefroren, mit sich. An dem Gestein des norddeutschen Grundgebirges
staute sich die Eismasse, quoll aber schließlich darüber hiuweg, wobei die scharfen
Kuppen abgerundet wurdeu und das abgetragene Gestein wieder weitergeführt
wurde. Unter der ungeheuren Eislast wurden die Schuttmassen größtenteils zerrieben
zu einem blauen kalkhaltigen Ton, der mit Sand und Steinen verschiedener Größe
durchsetzt ist. Diesen Ton, der die Grundmoräne des Gletschers bildete, nennt man
den unteren Geschiebemergel. So war dann, als in der Jnterglazialzeit das Eis
zurücktrat, das Gruudgebirge überall von dem Geschiebemergel überdeckt. Auf
dem neuen Boden bildete sich bald eine Pflanzen- und Tierwelt ähnlich der der
Jetztzeit.
5. Die zweite Vergletscherung, die auf die Jnterglazialzeit folgte, war der
ersten ähnlich. Diesmal rückte das Eis in unserem Lande in ostwestlicher Richtung
vor und ist dabei vermutlich nicht über die westliche Grenze des Landes hinaus-
gedrungen. Aus der Grundmoräne dieser Eisdecke entstand der obere Geschiebe-
mergel. Diese zweite Vergletscherung, die die obere Schicht des Diluviums mit
seinen Hügeln und Tälern gebracht hat, hat dem Lande seine endgültige Oberflächen-
gestalt gegeben. Aus dem Geschiebemergel, dem unteren sowohl wie dem oberen,
ist durch Verwitterung und durch Auswaschung der kalkigen Bestandteile der Geschiebe-
lehm entstanden, aus diesem wiederum durch ähnliche Vorgänge der Geschiebesand
mit mehr oder weniger lehmigen Bestandteilen. Wo die Verwitterung besonders
kräftig war und der Geschiebemergel viele sandige Bestandteile enthielt, ist eine nicht