1912 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Seydlitz, Ernst von, Muhle, Wilhelm
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
§ 229—236
3. Besiedlung.
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Im Rundling haben wir wahrscheinlich die älteste, auch deutsche Bauart vor uns. § 229.
Hier liegen die Gehöfte um einen runden Platz herum, der rtux einen Zugang hat. Dieser
Platz enthält den Teich, die Kirche, den Friedhof, meist auch Schule und Schmiede.
Hinter den Gehöften befinden sich die Gärten, von Gräben und dichten Hecken umgeben,
so daß ein abgeschlossenes Ganzes entsteht.
Wird der Rundling in der Weise erweitert, daß zum Zugang auch noch ein Ausgang
kommt, so geht er ins Straßendorf über. Diese beiden Siedlungsformen finden sich
meist in der Ebene.
Im Gebirge begegnen wir häufig dem deutschen Reihendorf. Hier stehen die § 230.
durch Wiesen und Gärten getrennten Gehöfte auf einer oder auf beiden Seiten der
Straße (ein- und zweireihiges Dorf), nicht immer dicht an ihr. Die Felder liegen hinter
den Gebäuden und ziehen sich lang hinaus, oder befinden sich beim einreihigen Reihen-
dorf gegenüber auf der anderen Straßenseite. In der Regel führt von jedem Gehöft
ein Wirtschaftsweg auf die Felder hinaus. Solche Dörfer sind oft sehr langgestreckt und
werden häufig im Erzgebirge wie in der Lausitz angetroffen.
Beim Haufendorf endlich liegen die Gehöfte planlos beisammen. Solche An- § 231.
siedlungen finden sich in der Lommatzscher Gegend als sogenannte Weiler.
Die Streu- oder Waldhufendörfer, deutsche Gründungen, denen wir häufig § 232.
im Erzgebirge begegnen (Bild 18), entstanden dadurch, daß von einem zu rodenden
Waldgebiet jeder Ansiedler seine Hufen zusammenhängend bekam und er sein Haus
inmitten seines Grundstücks erbaute. Oben auf der Höhe wurde der Wald stehen-
gelassen, um Brenn- und Nutzholz zu liefern.
Stadtanlagen waren den nur in kleinen Dörfern beisammen wohnenden Slawen § 233.
fremd. Daher sind die Städtegründungen durchweg deutsch. Sie entstanden
erst nach dem Jahre 1100 und wurden als Burgwarde, als Festungen meist an wichtigen
Flußübergängen angelegt. Der Fluß, ein Steilabfall, ein Sumpf, ein Teich wurde
dabei möglichst gleich zur Befestigung mitverwandt. In der Mitte der Stadt befand sich
der Markt, von dem aus nach allen vier Himmelsrichtungen die Straßen nach den Toren
führten.
Längs der alten Straßen entstanden an den Furten frühzeitig Siedlungen, da § 234.
hier bei hohem Wasserstande die Wagen warten mußten. Aus diesen Siedlungen sind
die meisten größeren Orte und Handelsstädte erwachsen. Auch geben die regelmäßigen
Abstände der Siedlungen an den alten Straßenzügen die Entfernungen wieder, die
gewöhnlich von den Wagen an einem Tage zurückgelegt wurden.
Zahlreich waren die Städtegründungen in Sachsen zur Zeit des Aufblühens § 235.
des Bergbaues. Im Dreißigjährigen Kriege ward bei vielen Ortschaften durch
Brand und Verwüstung das ursprüngliche Bild vollständig vernichtet. Manche Ort-
schaften verschwanden auch gänzlich vom Erdboden, und nur „wüste Marken" blieben
übrig.
In der Hofanlage unterscheidet sich das deutsche vom slawischen Gehöft. Das § 236.
wendische Haus, das aus dem Lehmhaus hervorgegangen ist, hat meist nur Erdgeschoß;
Holzsäulen tragen das überspringende, strohgedeckte Satteldach (Bild51). Die Hofanlage
zeigt neben dem Wohnhaus den Stall mit dem Futterraum, quer die Scheune, die häufig
eine Durchfahrt für den Wirtschaftsweg enthält, gegenüber den Schuppen. Bei der
fränkischen Hofanlage enthält das Wohnhaus, dessen Giebel zur Straße weist, zu-
gleich auch den Kuhstall, auf zwei weiteren Seiten des rechteckigen Hofplatzes mit dem
Düngerhaufen und dem Taubenhaus stehen die Scheunen und der Pferdestall. Eine
Mauer mit einem großen und einem kleinen Tor nach der Straße schließt den Hof ab.
Freilich sind solche Anlagen in ursprünglicher Gestalt kaum noch anzutreffen.
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