1884 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Jaenicke, Hermann
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Das chinesische Reich. 137
weil von ihm ans nach allen vier Himmelsrichtungen hohe Gebirge ausgehen,
stellt die Verbindung zwischen dem Tienschan und dem Himälaya her; es-
ist eine Hochsteppe mit ausgesetzten, über die Schneegrenze reichenden Berg-
rücken; trotz der großen Öde, welche hier herrscht, gingen seit den ältesten Zeiten
wichtige Handelsstraßen (Seidenstraßen) über das Plateau.
Nach Osten und Südosten folgen alsdann die gewaltigsten Bergketten der
Erde: der Knenlnn und Himälaya, welche Tibet umrahmen, und zwischen
ihnen der Karakorüm, der sich nach Westen hin in dem obengenannten Hin-
dnkusch fortzusetzen scheint. Der Knenlnn übertrifft den Himälaya an Ältev
und an Höhe der Kammlinie, während seine Gipfel niedriger sind; die Pässe
liegen aber sämtlich über der Schneegrenze. Der gletscherbeladene Karakorüm,
von dem Passe dieses Namens so benannt, enthält im Däpsang (8600 m) den
zweithöchsten Berg der Erde. Der Himälaya endlich besteht aus zwei parallelen
Ketten, von denen die nördliche die geschlossenere aber niedrigere ist, während
die südliche von zahlreichen, wenn auch wenig passierbaren Querthälern durch-
brochen wird und die höchsten Gipfel in sich birgt, so in Nepäl den Dhawa-
lagiri (8200) und Ganrisankar (oder Monnt Everest 8840 m) und an der
Grenze von Nepal und Sikkim den Kantschindschinga (8600 m). Aussallend
niedrig ist dagegen die Kammlinie, welche nur 5000—5500 m betrügt, und
ebenso auffallend erscheint es, daß die Schneegrenze des der Sonne zugekehrten
Südabhangs tiefer liegt, als im Norden, eine Thatsache, die sich nur durch die
Fülle der Niederschläge am Südabhange erklären läßt. Dem entsprechend reichen
die Alpeusträucher und Alpenkräuter am Südabhang nur bis ^u 4000 m, da-
gegen am Nordabhang bis zu 5000 m. Über diese Höhe hinaus beginnt erst
der ewige Schnee, und unterhalb dieser Höhe folgen stattliche Nadelwälder, dann
Getreide und Obst, ferner Thee und Kaffee-Pflanznngen, am Fuße endlich und
in den Thälern die Palmen.') Vielleicht das herrlichste Hochthal mit mildem
Klima und starker Bevölkerung ist Kaschmir, wo in der gleichnamigen Haupt-
stadt die Seidenhaare einer dortigen Ziegenrasse zur Shawlmanufaktur verwendet
werden. Der östliche Himälaya, wo man noch Gipfel von über 7000 m
Höhe gemessen hat, verknüpft sich dann mit den Gebirgszügen Hinterindiens
und Chinas.
Als Nord grenze dieses mächtigen Gebirgswalles gegen Tibet hin kann
man das große Längsthal annehmen, in welchem der obere Indus uach
Nordwesten hin und der obere Brahmaputra (oder Saupo) nach Osten hin.
abfließen. An einem linken Nebenfluß des letzteren liegt Lasa (3600 m), der
Sitz des Dalai-Lama, der dem Namen nach Tibet regiert, aber vom chinesischen
Kaiser ernannt wird; die Stadt ist zur Hälfte von Lamas, d. h. buddhistischen
Priestern bewohnt und gilt als der erste Wallfahrtsort aller Buddhisten. Ab-
gesehen von diesem Längsthal ist das Platean von Tibet sehr dünn bevölkert,
aber desto reicher an vierfüßigen Tieren, an Ziegen, Schafen, Jaks, Dschiggetais,
Antilopen und Moschustieren; es senkt sich im allgemeinen von Westen nach
Osten und entsendet in derselben Richtung die gewaltigen Ströme, welche sich
ihrenweg durch hohe Gebirgsketten nach Chinannd Hinterindien bahnen. Wohl
der größte Teil des Hochlands besteht aus Steppe mit salzigen Seeen, darunter
^ tu ®° erinnert der Himälaya in vielen Beziehungen an die Alpen, nur daß alle
Verhältnisse des ersteren weitaus großartiger sind; auch die Alpenseeen sehleu hier nicht.
Vergl. die Schneegrenze in den Alpen (27<J0 m).