1903 -
Trier
: Lintz
- Autor: Kerp, Heinrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Die Nilländer.
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verehrt wurde. Ohne die regelmässigen Überschwemmungen
des Stromes wäre das Land Wüste, die mit plötzlichem Über-
gänge da beginnt, wo der Boden vom Nilwasser nicht mehr er-
reicht wird. Das Steigen des Nils wird daher alljährlich freudig
begrüßt und sein Verlauf ängstlich verfolgt. Es wird hervorge-
rufen durch die starken Tropenregen, die im obern Nilgebiete
niedergehen. Da dieselben mit dem Zenitlistande der Sonne wan-
dern, setzen sie unter dem Äquator, der den Viktoriasee, das große
Sammelbecken der Nilquellflüsse, durchschneidet, gegen Ende März
ein. Etwa drei Monate dauert es, bis die Wassermassen den fast
6000 km langen Weg bis zum Meere zurückgelegt haben. Ge-
wöhnlich am 20. Juni wird in Kairo das erste Steigen des Stromes
bemerkt. Da die Tropenregen in derselben Richtung, wie der Nil
fließt, wandern, verstärkt sich die Hochflut immer mehr. Beson-
ders stark macht sich der Zufluß der abessinischen Gewässer gel-
tend. Es ist sehr günstig, daß sie ihre schlammigen Fluten gerade
dann heranwälzen, wenn ein hoher Wasserstand bereits erreicht
ist und die Überflutung der Felder mit ihrem fruchtbaren Wasser
beginnen kann. Bis zum Oktober hält das Steigen an. Mit dem
Zurückweichen der Sonne nimmt auch die Niederschlagsmenge des
obern Nilgebiets ab. Der Strom beginnt langsam zu fallen und
erreicht Anfang Juni seinen tiefsten Stand.
Sobald der Nil eine bestimme Höhe erreicht hat, werden die Bdej^s®rd™g
Schleusen geöffnet, und das schlammige Wasser wird mit Hülfe
von Kanälen und Schöpfvorrichtungen über das ganze Land ge-
leitet. So bildet es einen See, aus dem nur die auf niedrigen
Hügeln erbauten Dörfer mit ihren Dattelpalmen herausragen.
Damit die Überflutung des Landes in dem nötigen Umfänge
stattfinden kann, muß der Pegel unweit Kairo eine Höhe von 8,5 m
an zeigen. Um sie zu sichern, schufen schon die alten Ägypter
großartige Anlagen. Von den Bauten der neuern Zeit zeichnen
sich namentlich zwei durch ihre Großartigkeit aus, der 1890 fertig
gestellte Riesen dämm nebst Schleuse an der Gabelung
des Nilstromes, welcher die Bewässerung des Nildeltas regelt,
und der große Nil dämm bei Assuan, welcher den Anbau Ober-
ägyptens fördern soll und 1902 fertig geworden ist.
Das Nilwasser hinterläßt, wenn es sich wieder verläuft, eine Anbau.
Schicht schwarzen Schlammes. Der Boden ist getränkt
und gedüngt, und die Saat kann beginnen. Die Äcker werden
vorwiegend mit Weizen, Klee, Mais und Bohnen bestellt. Be-
reits nach vier Monaten kann die Ernte stattfinden. Außer dieser
Winterernte können im Nildelta, wo die Bewässerungsanlagen am
vollkommensten sind und auch nach der Hochflut den Kulturen
noch Wasser zugeführt werden kann, noch eine Sommer- und eine
Herbstkultur gemacht werden. Die wichtige Sommerernte liefert
im Delta Reis, Baumwolle, Tabak und allerlei Garten- und Baum-
trüchte. Die wichtigsten Kulturpflanzen sind Weizen, Baum-
wolle und Mais. Zu ihnen tritt die fast überall angepflanzte