1912 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Lennarz, Gottfried
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Seminar, Lehrerbildungsanstalt
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
A. Allgemeine Erdkunde. — Ii. Die Gesteinshülle.
1. Lüngstäler. Die meisten deutlich ausgeprägten Längstäler finden sich natur-
gemäß in den Faltengebirgen. Sie sind gewöhnlich tektonischen Ursprungs.
Die tektonischen Vorgänge haben die heutige Form jedoch selten unmittelbar
geschaffen; diese ist vielmehr in der Hauptsache das Erzeugnis der Erosion.
2. Quertäler. Die Quertäler sind in ihrer großen Mehrzahl reine Erosions-
täler, in einzelnen Fällen mag indes durch tektonische Vorgänge die Arbeit des Wassers
erleichtert worden sein. Bei der Bildung eines Erosionstales hatte das Wasser
verschieden harte Schichten quer durchzunagen, daher die Enge und Steilheit zahl-
reicher Quertäler, daher auch der Wechsel ihrer äußern Erscheinungsweise. Manche
Quertäler öffnen den Längstälern mit ihren Flüssen einen Weg zu den Außenseiten
des Gebirges, so das Rheintal von Chur bis zum Bodensee. Wenn sich zwei Täler
von den entgegengesetzten Seiten des Gebirges her einander nähern, so bilden sie
auf einem tiefer gelegenen Kammabschnitte des Gebirges eine Übergangsstufe, einen
Paß. Gebirge mit zahlreichen Quertälern, wie die Alpen, sind daher gut wegsam.
In den Alpen sind die Quertäler nicht minder häufig als die Längstäler. Oft ist
ein und dasselbe Tal in verschiedenen Teilen seiner Erstrecknng bald Längs-, bald
Quertal. Solche Täler bezeichnet man wohl als „zusammengesetzte" (Rhönetal).
3. Durchbruchstäler. Durchbruchstäler finden sich nicht nur in Ketten-
gebirgen sondern mich in Schollengebirgen, in vulkanischen Gebirgen, in Landstufen,
ja sogar im Tieflande. Ein solches Durchbruchstal durchströmt der Rhein von
Bingen bis Boun, die Donau bei Preßburg und im Banater Gebirge (Bild 175).
Durchbruchstäler sind auch das Oder- und Weichseltal im Gebiete des Baltischen
Landrückens, das Tal der Altmühl, das Elbtal im Elb-Saudsteingebirge.
ä) Entstehung der Durchbruchstäler. Die Entstehungsurfache der Durch-
bruchstäler ist verschieden. In vielen Fällen haben die vor einem Riegel
aufgestauten Gewässer sich durch eine Lücke in der vorgelagerten Schwelle
einen Abfluß gesucht. (Egerdurchbruch unterhalb Eger.) Bei manchen Durch-
bruchstäleru wird eine rückwärts schreitende Erosion angenommen.
Die Entstehung von sog. ausgelagerten oder epigenetischen (nachgeborenen)
Tälern fällt in eine Zeit, da über den heutigen Gebirgen eine flache Sediment-
decke lagerte. Die Abdachung der alten Oberfläche wies den Flüssen den Weg, den
sie, wenn sie sich genügend tief eingeschnitten hatten, nach erfolgter Denudation
beibehielten. Sie durchsetzen daher heute alte und harte Gesteinsschichten, die nach
dem jetzigen Oberflächenbilde leicht zu umgehen waren. Beispiele epigenetischer Tal-
bildnng sind der Bodednrchbrnch südlich von Thale, die Westfälische Pforte. Wo
sich nach Festlegung des Durchbruchstales das Zuflußgebiet allmählich senkte, und
zwar schritthaltend mit dem allmählichen Einschneiden in eine sich hebende Scholle,
da zeigen sich die Spuren älterer Flußläufe an den Wänden der Talgehänge.
Das ist der Fall beim Rheintal zwischen Bingen und Bonn; dort sind alte Talstufen
mit Flußgerölle bis zu einer Höhe von 250 m über der Talsohle erhalten geblieben.
Manchen Durchbruchstälern schreibt man eine umgekehrte Entwicklung zu, setzt
dabei aber auch voraus, daß der Fluß älter als das Gebirge sei. Während
dieses langsam sich hob, schnitt sich der Fluß gleichzeitig ein, d. h. er behielt seine
Lage bei, ähnlich wie eine Säge einen gegen sie geschobenen Stamm zerschneidet,
ohne selbst ihre Lage zu verändern (Antezedenztheorie).
Antezedenten Quertälern begegnet man in den südlichen Vorketten des
Himalaja und in den südlichen Karnischen Alpen.