1912 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Lennarz, Gottfried
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Seminar, Lehrerbildungsanstalt
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
A. Das Gebiet der Südeuropäischen Faltengebirge. — 6. Italien. 323
a) Naturbeschaffcnheit. Norditalien bildet K 220.
eine weite, aus dem Lombardischen und dem
Venezianischen Tieflande bestehende Ebene von
trogsörmiger Gestalt, deren Stelle im Tertiär
ein Busen des Adriatischen Meeres einnahm. Dieserwnrde inderquartär-
zeit durch eiszeitliche Gletschermoränen und durch Flußablagerungen znge-
schüttet. Um die Ausgänge der bedeutenderen Alpentäler legten sich gewaltige
Moränenwälle, unregelmäßig gestaltete Hügellandschaften, die von kleinen
Seen und Torfmooren erfüllt sind und auch die Südenden der großen
Alpenrandseen abschließen. Auf diese Hügelzone folgt ein Gürtel mit
groben Geröllen und Kiesen, der nach 3 allmählich in einen östlich sich
verbreiternden Streifen diluvialen und alluvialen Schwemmlandes
übergeht.
Die meisten Gewässer der Niederung sammeln sich im Po (vom Monte
Biso), den die wasserreichen und ungestümen Alpenflüsse nach 3 gedrängt und
dem Apennin näher als den Alpen gerückt haben*. Nördlich von ihm
mündet der zweitgrößte Fluß der Landschaft, die Etsch, die aus den Tiroler
Alpen (Reschen-Scheideck) kommt. Sowohl die Alpen- als auch die Apenmnzuslüsse,
namentlich aber die letztern, führen dem Po zahlreiche Geröllmassen zu; da-
durch ist sein Bett beständig, ja gegen die Mündung hin so bedeutend erhöht
worden, daß der Wasserspiegel dort seine Umgebung überragt. Da zudem
die Wasserführung des Stromes und seiner Nebenflüsse großen Schwankungen
unterliegt und der Po im Frühjahr und Herbst oft plötzlich auf das Fünf-
fache seines gewöhnlichen Wasserstandes anschwillt, so mußte das Land, ähnlich
wie in den Marschen, durch umfangreiche Deichbauten geschützt werden. Aber
nicht nur die Notwendigkeit, sich gegen das Wasser zu schützen, hat die Nord-
italiener hervorragende Wasserbaumeister werden lassen. Bei dem binnen-
ländischen Klima des Landes mit seinen kurzen, aber oft strengen Wintern und
seinen heißen Sommern bedarf der fette Schwemmlandboden, um ergiebige Ernten
zu liefern (sechsmaliger Grasschnitt auf den Wiesen), der künstlichen Be-
Wässerung. Daher haben die Bewohner die Flüsse in ein Netz von Kanälen
aufgelöst, von denen einige zugleich Schisfahrtsstraßen sind. (So können z. B.
venezianische Barken bis nach Mailand sowie zum Langen- und Comer See
fahren.) Sie verstanden auch, den Überfluß des Wassers aus den sumpfigen
Flußstrecken durch Entwässerungskanäle abzuleiten. — Der Verlandnngsprozeß,
der einst die ganze Ebene zur Entstehung brachte, setzt sich noch heute an
der Küste des Adriatischen Meeres fort. Wind und Wellen werfen die von
den Flüssen herbeigeführten Sand- und Schlammassen zu laugen Land-
streifen (Lidi, Einzahl Lido) auf, hinter denen sich Strandseen (Lagunen)
bilden. Diese werden allmählich mit den Sinkstoffen der Wasserläufe aus-
gefüllt; dann entsteht eine neue Nehrung, eine weitere Lagune, und so rückt
das Land ständig ins Meer vor2.
1 Vgl. Donaulauf in Rumänien (§ 211).
2 Den jetzigen Fortschritt des Po-Deltas schätzt man auf etwa 70 bis 80 m im Jahre.
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A. Norditalien.
Das italienische Alpenland.