1912 -
Berlin
: Oldenbourg
- Autor: Geistbeck, Alois, Fischer, Heinrich, Geistbeck, Michael
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Töchterschule, Lyzeum
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Mädchenschule, Lyzeum
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Mädchen
22 Europa.
vielverzweigte Handelsverbindungen. In unseren Tagen hat Belgiens Industrie,
dank der großen Schätze an Kohle und Eisen, welche das Ardennengebirge in sich
schließt, eine erstaunliche Blüte erreicht. Möns, Charleroi,Namur, Lüttich
(175000 E.) im Sambre- und Maas-Kohlengebiet sind Fabrikorte allerersten Ranges,
wie sie sich im Deutschen Reich nur im Rheinland und in Westfalen, in Sachsen
und Schlesien wieder finden. Brüssel ragt hervor durch seine Luxuswaren,
besonders Spitzen, durch solche auch Mecheln, Verviers durch seine Tuche,
Tournai durch Teppiche, Gent (160000 (£.) durch Baumwollwaren, ganz
Flandern durch Leinwandfabrikation.
Durch seine Gewerbetätigkeit zählt Belgien
zu den ersten Industriestaaten Europas.
Die fchwuugvolle Industrie hat naturgemäß einen äußerst lebhaften
Handel und Verkehr zur Folge, der durch die Nähe der größten Kultur-
staateu Europas aufs vorteilhafteste unterstützt wird. Mit seinem Außenhandel
nimmt Belgien bereits den vierten Platz ein; es übertrifft in dieser Beziehung
Großmächte wie Österreich-Uugarn, Rußland und Italien. Unter Berücksichtigung
der Bevölkerungsziffer behauptet Belgiens Handel unter allen Ländern der
Erde sogar den ersten Rang. Für die gewaltige Größe seines Handels spricht
ferner, daß Antwerpen an der breiten Trichtermündung der Schelde neben
Hamburg die wichtigste Seestadt des Kontinents und das belgische Eisenbahnnetz
das engmaschigste aller Länder der Erde ist. Ein sehr ansehnlicher Teil des
belgischen Handels ist allerdings Durchgangshandel.
Bei solchem Stande der Erwerbsquellen erklärt es sich zur Geuüge, daß
Belgiensich großer Wohlhabenheit erfreut und an Dichte d^r Bevölke-
rung (255 auf 1 qkm), das Königreich Sachsen und die Hanse-
staaten ausgenommen, alle Staaten Europas übertrifft. Leider
herrscht zwischen den einzelnen Ständen eine große Zerklüftung, und die geistige
Bildung der unteren Schichten des Volkes steht noch auf tiefer Stufe.
Siedelungen. Ein volles Drittel der überwiegend industriellen Bevölkerung
lebt in Städten, deren größte, die Hauptstadt Brüssel, mit Vororten über
700000 Einw. zählt. Dem Jndnstriebezirke des Sambre- und Maastales gehören
an: Charleroi, Namur, Seraing, Lüttich; ö. von diesem Verviers.
Antwerpen, 320000 Einw. Als Seebad und Vermittler des Personenverkehrs
von und nach England ist Ostende bekannt.
Kolonien. Belgische Kolonie ist der große afrikanische Kongostaat mit
2,4 Mill. qkm und 15—20 Mill. Einw. Auch wissen die belgischen Industriellen
und Finanzgruppen in auswärtigen Gebieten mit gutem Erfolge vorzugehen.
Beziehungen Belgiens zum Deutschen Reiche. Gleich Lothringen ist Belgien
ein Übergangsland zwischen Deutschland und Frankreich; daher hat es auch im Verlaufe
seiner Geschichte bald zum Deutschen Reiche, bald zu den romanischen Ländern gehört.
Zwischen Deutschland und Belgien pulsiert noch heute ein sehr lebhafter Verkehr.
Insbesondere bildet Belgien für die gewerbtätigsten Provinzen Deutschlands vielfach
den Weg zum Meere (Antwerpen).