1898 -
Halle a.d.S.
: Schroedel
- Autor: Tromnau, Adolf
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Seminaranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
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In engster Verbindung mit der Religion steht das Kastenwesen
der Inder. Ursprünglich gab es vier Kasten: 1) die Priester oder
Brahminen, die Inhaber der göttlichen Offenbarung und der
Gelehrsamkeit, 2) die Krieger, 3) die Banianen, (Landbesitzer,
Kaufleute und Vertreter des Großgewerbes) und 4) die Sud ras
oder Knechte, Bauern, Arbeiter und niedere Gewerbsleute, denen das
Gesetz vorschreibt, den ersten drei Kasten zu dienen. Doch sind heute
anstelle der beiden letzten Kasten zahllose neue getreten. Fast jeder
Beschäftigungszweig bildet eine Kaste, eine Arbeitsteilung, die nur bei
den günstigen Naturverhältnissen des Landes und bei der Dichtigkeit
der Bevölkerung möglich war. Das zähe Festhalten der Inder am
Kastenwesen erschwert sehr die Ausbreitung abendländischer Kultur und
wirkt auch lähmend auf die Entwickelnng der Volkskraft. Insonderheit
ist es auch der christlichen Mission sehr hinderlich. Sehr verachtet
sind die Parias, die aus deu Kasten Ansgestoßeneu. Manche
Forscher führen die Abstammung der Zigeuuer, deren Sprache den
indischen Dialekten ähnelt, auf die Parias zurück.
Die Hiudus sind von mittelgroßer Gestalt, haben eine stark
gebräunte Hautfarbe, ovales Gesicht und schwarzes, glattes Haar.
Sie gelten ihrem Charakter nach für sanft und harmlos und neigen
zu beschaulichen Betrachtungen Nur wenige Stämme sind kriegerisch.
Der Hindu ist sehr geschickt in allerlei Handfertigkeit, bewundernswert
als Gaukler, mäßig in seiner Lebensweise, nicht selten aber auch
entnervt und verweichlicht. Nationaler Sinn und Vaterlandsliebe sind
bei ihm sehr gering entwickelt. Die Hauptnahrungsquellen
der Hindus sind Ackerbau und Gewerbesleiß. In großen Mengen an-
gebaut werden Baumwolle, Reis, Weizen, Bananen, Thee, Mohn,
Jute und Indigo. An Erzeugnissen des Gewerbefleißes sind Metall-
waren, Schnitzereien in Holz und Elfenbein und feine Shawls berühmt.
Ein lebhafter Biuuen- und Außenhandel befördert den Warenverkehr.
Die Engländer haben Anbau, Gewerbefleiß und Handel so
sehr gefördert, daß fast die Hälfte der asiatischen Ein- und Ausfuhr
auf Indien kommt. Ein großartiges Bahn netz, nach dem europäischen
und dem der Union das bedeutendste, fördert den inländischen Verkehr.
Die Anzahl der Engländer in Indien ist übrigens sehr gering
(203 000 E.), und doch sind sie die Herren Indiens.
3. Staatliche Verhältnisse und Ortskunde. Das Wunder-
land Indien lockte seit den ältesten Zeiten die Eroberer und Kaufleute an.
Im Mittelalter vermittelten Araber und Venetianer den Handel
zwischen Indien und dem Abendlande. Erst seit der Entdeckung des
Seewegs nach Ostindien knüpften die europäischen Seemächte, die
Portugiesen, Franzosen und späterhin die Engländer, mit Indien un-
mittelbare Beziehungen an. Inzwischen hatte ein mongolischer Eroberer
in Indien ein großes mohammedanisches Reich gegründet. Der
Fürst führte den Titel Großmogul, und seine glänzende Hauptstadt
war Delhi, damals eine Stadt von der Größe Londons. Noch heute
ist daher namentlich im Judusgebiet der Mohammedanismus sehr ver-
breitet. Im Laufe der Zeit gewannen die Engländer immer mehr