1902 -
Halle a. d. S.
: Schroedel
- Autor: Tromnau, Adolf, Schöne, Emil
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Lehrerinnenseminar, Präparandenanstalt, Seminaranstalt
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
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In keinem zweiten Lande auf der Erde hat das Wasser so viel für den
Menschen getan, aber auch nicht der Mensch so viel für das Wasser getan als
in Ägypten Ohne den Nil und das damit zusammenhängende künstliche Be-
Wässerungssystem würden die 26000 qkm des heutigen ägyptischen Fruchtlandes
ebenso tot daliegen wie der Wüstengürtel der Nachbarschaft. Der Schlick, den
das Nilwasser aus dem Innersten Afrikas mit sich führt, ist der Kulturboden
Ägyptens und zugleich der Dünger, der die unerschöpfliche Fruchtbarkeit dieses
Bodens bis zum heutigen Tage erhält. Die jährlichen regelmäßigen Über-
schwemmungen des Nils Anfang August bis Ende November beherrschen die
Jahrtausende alte ägyptische Kultur und das ganze Leben des Volkes, regeln die
Jahreszeiten und bemessen die jeweilige Fruchtbarkeit des Jahres. Sicher hat
im Laufe der Zeit infolge der allmählichen Erniedrigung des Nilbettes, des
Ausgleichs der einzelnen Flußstrecken, der Verminderung der Stromhindernisse
und „der Erhöhung der Uferstrecken durch den abgesetzten Schlamm eine Abnahme
der Überschwemmungshöhe des Nils und damit eine Verminderung des Kultur-
landes stattgefunden. Von jeher hat aber eine gut organisierte Wasserbautechnik,
die nur im 18. Jahrhunderte einen Verfall aufweist, diesen Übelständen entgegen-
gearbeitet. Seit Urzeiten waren dreierlei Arten der Behandlung des Nilwassers
gebräuchlich: die völlige ungeregelte Überschwemmung des Landes, die 4-5 Monate
gleichzeitig befeuchtend und zerstörend wirkte, das Beckensystem, bei dem das
Nilwasser ungefähr 50 Tage lang in einzelnen, durch Dämme abgegliederten
Landbecken luhig seinen Schlamin absetzen konnte, und die sogenannte Sesi-
Kultur. Bei der. letzteren ist der betreffende Distrikt von Dämmen umgeben,
die ihn vor jeder Überschwemmung schützen; das während der Sommermonate
nötige Wasser erhält er von hochliegenden Kanälen, die vom Nil aus teils durch
Pumpwerke, teils durch Aufstauen des Stromes, teils durch einen Kanal gespeist
werden, der den Nil genügend weit oben anzapft. Als 1884 englische Ingenieure die
ganze Wasserwirtschaft Ägyptens übernahmen, begann eine neue Aera für das Land.
Zunächst wurde eine im Nildelta schon von Mohammed Ali begonnene große
Stauanlage (bei Kaliub) erfolgreich ausgeführt. Dies verdoppelte die Baum-
wollernte des Deltas und erzeugte einen Mehrertrag von 60 Mill. M.
Sodann wurde in Mittelägypten ein mächtiger Sesi-Distrikt an 9 Stellen mit
dem Strome in Verbindung gesetzt und damit die alte Fruchtbarkeit wieder ge-
Wonnen. Nun zeigte es sich aber, daß, obgleich im Sommer kein Tropfen des
Nils mehr in das Meer gelangte, die gesamte Wassermenge des Stroms nicht
ausreichte, um dem Fruchtlande die im Altertume vorhandene Ausdehnung
zu geben. Dazu fehlte ein Sammelbecken ersten Ranges. Da trat die englisch-
ägyptische Regierung einem lange hin und her erivogenen Plane näher: Sie
begann 1898 mit der Aufdämmung des Nils beiaffuan. Ein Granit-
dämm von 2 km Länge und 28 m Höhe ist gegenwärtig mitten durch den
ersten Katarakt des Nils im Bau. Damit wird der südliche Teil von Nubien
in einer Länge von 177 km in einen See verwandelt, der dem Nile im Sommer
1000 Mill. c'bm Wasser zuführen wird. Man rechnet darauf, daß durch das
Stauwerk der Wert der ägyptischen Bodenerzeugnisse um 166 Mill. M. erhöht
und eine jährliche Mehreinnahme des Staates von ziemlich 18 Mill M. erzielt
wird. Die Pläne der englischen Wasserbautechniker reichen aber noch weiter.
Man erwägt ernstlich die Aufstauung des Albert- und Tana-Sees und die Ein-
dämmung des Stromes in den Sumpfdistrikten des Oberlaufs bis zur Mündung
des Sobat. Man schätzt die Wassermenge, die allein bei Ausführung des letzten
Projekts gewonnen wird° um 60% höher als die durch die Talsperre bei Assuan erzielte.
2. Die Bewohner. Den weitaus größten Teil der Bevölkernng
nehmen die Landbewohner, die armen, geplagten Fellahin ei»,
deren Abstammung von den alten Ägyptern erwiesen ist, wenn sie
auch von Mischung nicht frei geblieben sind. Reinerer, altägyptischer
Abstammung sind die christlichen Kopten in Oberägypten, Zur
arabischen Bevölkerung gehören die Beduinen, die ein Nomaden-
leben führen und Viehhandel treiben. Die vornehmere Stadtbevölkerung