1910 -
Leipzig [u.a.]
: Teubner
- Autor: Schmidt, Max Georg, Steinhauff, Arnold
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Realanstalt
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Die Ituttellage.
Macht" ist ein eigentümlich deutsches und gilt nicht nur für das dreitägige Ringen
auf dem Leipziger Blachfeld.
politische Lehren. Trefflich hat Bismarck i. I. 1888 unsere durch die Natur
bedingte Lage dahin gekennzeichnet: „Gott hat uns in eine Lage versetzt, in der wir
durch unsere Nachbarn daran verhindert werden, irgendwie in Versumpfung oder Träg-
heit zu geraten. Die französisch-russische Pression, zwischen die wir genommen werden,
zwingt uns zum Zusammenhalten und wird unsere Kohäfion auch durch Zusammen-
drücken erheblich steigern." Wir haben gelernt ein Volk in Waffen zu sein, das sein
Pulver trocken hält. Die offenen Grenzsäume schützen wir im 0 und W durch kost-
spielige Festungswerke, die an der Gebirgsgrenze des 8 überflüssig sind. Dazu liegt
in unserer Lage das Bedürfnis nach Verbindung mit Nachbarländern begründet:
Während das „Kaunitzsche Bündnis" gegen Friedrich den Großen uns einst fast zum
Verhängnis wurde, sichert uns heute der Zusammenhalt mit Österreich-Ungarn den
europäischen Frieden.
Zusammenströmen europäischer ttultureinflüsse. Durch seine Mittellage wurde
unser Volk besonders zugänglich und empfänglich für fremde Bildungsstoffe. Schon die
Renaissance und das römische Recht waren siegreich bei uns eingezogen. Im 17. und
18. Jahrhundert übte französischer Geist zumal in der vornehmen Gesellschaft (Friedrich
der Große) seine Herrschaft aus-, gegen Mitte des 18. Jahrhunderts findet englische
Philosophie und Literatur in den Kreisen des gebildeten Bürgertums (Wieland, Lessing,
Kant, Herder) bereitwillige Aufnahme- der Neuhumanismus im 19. Jahrhundert brachte
unserer Kunst und Wissenschaft hellenische Bildungsstufe, und in der Gegenwart übt
die nordische Dichtung einen tiefgreifenden Tinfluß. Dank unserer vielseitigen Bildung
wurde Sprache und Literatur, Geschichte und Geographie fremder Völker von deutschen
Gelehrten mustergültig erforscht, und die deutsche Literatur zählt die sinngemäßsten
und tiefempfundensten Übertragungen aus alten und neuen Sprachen: So wurde Deutsch-
land das Land der Übersetzungen und der Weltliteratur.
inseitige Wirkungen deutscher Geistesart. Umgekehrt wiederum hat Deutschland
nach allen Richtungen hin mannigfache Anregungen ausgestrahlt. Wie es von seinem
volklichen Reichtum an seine Nachbarn abgegeben hat, so hat auch der geistige Blüten-
staub überall befruchtend gewirkt. Die nordischen Lande erhielten von uns Christentum
und Kultur und später die Reformation,' in Frankreich und England hat deutsche philo-
sophie und Dichtung nachhaltig eingewirkt; vor allem hat sich deutsche Bildung und
Zivilisation in zwei breiten Strömen (an der Ostsee und Donau entlang) nach 0 er-
gossen, so daß dort die deutsche Sprache, so sehr sie heut angefeindet wird, die unent-
behrliche Vermittlerin für den geistigen wie den Handelsverkehr geworden ist. vor
allem hat in der Gegenwart deutsches Geistesleben, deutsche Musik und Wissenschast in
den vereinigten Staaten von Amerika freudige Aufnahme gefunden.
Neigung zu Kusländerei und Weltbürgertum (ttosmopolitismus). Die erstaun-
liche Aufnahmefähigkeit des deutschen Tharakters für fremde Geisteskultur hat sich leider
vielfach bis zur Gefahr der Selbstentäußerung gesteigert. Ohne Wahl und Urteil be-
geisterte man sich für fremde Sitte und Brauch, ahmte in geist- und geschmackloser Weise
fremde Sprache und Mode nach und büßte in Mißachtung heimischer 5trt und in kritik-
loser Bewunderung alles Fremden vaterländischen Stolz und nationale Würde ein. Kuch
unsere Auswanderer haben sich zumeist in der Fremde bald den neuen Verhältnissen an-
gepaßt und sind durch ihre vaterlandslose Schwäche unserem Volkstum verloren gegangen.