1913 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Lennarz, Gottfried, Heins, Hermann, Seydlitz, Ernst von
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Töchterschule, Oberlyzeum
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Mädchenschule, Oberlyzeum
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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Länderkunde. — Europa.
der Hummer- und Austernfang, und im Nördlichen Eismeer macht man Jagd
auf Seehunde und Wale. Im hohen N nisten an der atlantischen Küste zahl-
reiche Polarvögel, von denen die Eiderente die wertvollen Daunen liefert. Die
Landgewäfser Norwegens sind durch Lachs- und Forellenreichtum ausgezeichnet.
Der Bergbau sendet vorwiegend Kupfererze, der Steinbruchbetrieb neuerdings
viele Granitsteine ins Ausland. Die Industrie arbeitet, mit Ausnahme der-
jeuigen, die sich auf die Forstwirtschaft und Fischerei gründet, fast ausschließ-
lich für den einheimischen Bedarf. Als Betriebskräfte benutzt sie bei dem
Mangel an Kohle die wasserreichen, durch starkes Gefälle ausgezeichneten Flüsse.
Die Nähe des Meeres und der Hafenreichtum der Küste lockten die Bewohner
Norwegens fchon sehr früh auf das Meer hinaus. Schiffahrt und Handel
ernähren heute ein Sechstel der gesamten Bevölkerung. Die norwegische
Handelsflotte * übertrifft an Zahl der Schiffe, auch der Dampfer, die deutsche
Flotte; aber sie erreicht, da die Norweger meist kleinere Schiffe verwenden, noch
nicht die Hälfte des Tonnengehaltes unserer Handelsmarine. Schon die kleinere
Hälfte der norwegischen Handelsflotte reicht für die Bedürfnisse des eigenen
Handels aus; die meisten Schiffe stehen in fremden Diensten, weshalb die
norwegische Flagge in allen Meeren der Erde anzutreffen ist. Der Außen-
Handel ist seit 1885 auf das Doppelte gestiegen; er übertrifft im Ver-
hältnis zur Bevölkerungszahl noch den deutschen. Die Hauptverkehrsländer
find Deutschland und England; dieses hat den Hauptanteil an der Aus-
fuhr, jenes an der Einfuhr Norwegens. Deutschland bezieht aus Nor-
wegen Fische, Tran, Holz, Eis und Steinmetzarbeiten und führt
dorthin landwirtschaftliche Erzeugnisse und Industriewaren aus.
Die langschmale Erstreckuug Norwegens längs einer mit tiefen Einschnitten
versehenen Meeresküste und die Schwierigkeit der Anlage von Eisenbahnen,
besonders auch in der Richtung der Küstenerstreckung, bringen es mit sich,
daß ein Teil des Binnenhandels durch die Seeschiffahrt bewältigt wird.
Im Verhältnis zur Flächeugröße — nicht aber im Verhältnis zur Ein-
wohnerzahl — ist die Eifenb ahn länge gering. Das Land besitzt nur
zwei größere Bahnen: die von Kristiania nach Bergen und die wundervolle Ge-
birgsbahn Kristiania—trondjhem. Dagegen ist ähnlich wie in der Schweiz das
Telegraphen- und Telephonnetz weit ausgedehnt. Für die Deutschen bildet
das Land der Fjorde und der Mitternachtssonne ein bevorzugtes Reiseland.
(I) Bevölkerung. Die Norweger sind nordgermanischer Abstammung.
Rauhes Klima und harte Lebensbedingungen haben sie zu körperlich kräftigen und
geistig hervorragenden Menschen erzogen. Seetüchtigkeit und im Seeleben ge-
wonnener Wagemut2 ließen berühmte Polarforscher (Nausen, Amuudsen) erstehen
und gaben dem ganzen Volke einen ausgesprochenen Freiheits- und Unabhängig-
keitssinn. Die Volksbildung steht auf hoher Stufe, obwohl das Wohnen in
Einzelhöfen und die weiten Entfernungen einem geordneten Schulunterricht große
Schwierigkeiten bereiten (Wanderlehrersystem). Die alte norwegische Sprache
1 Vgl. §§ 145, 414.
2 Als Normannen oder Wikinger waren sie im Mittelalter gefürchtete Seeräuber;
ihre kühnen Fahrten führten sie auch uach Island, Grönland, ja selbst nach Nordamerika,
das die Norweger schon ein halbes Jahrtausend vor Kolumbus entdeckten und besiedelten.