1911 -
Berlin [u.a.]
: Oldenbourg
- Autor: Geistbeck, Alois, Fischer, Heinrich, Geistbeck, Michael
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
Österreich-Ungarn. 55
Iv.^Die Österreichischen Sudetenländer: Böhmen, Mähren und
Österreichisch-Schlesien.
Natürliche und geschichtliche Beziehungen der Sudetenländer zu Deutsch-
laud. Die Sudeteuländer sind durch Randgebirge von den deutschen Nachbar-
gebieten getrennt; aber zahlreiche und niedrige Pforten öffnen sich allenthalben
und die großen Flußstraßen führen zu deutschen Ländern. Noch wesentlich unter-
stützt wurden diese natürlichen Beziehungen durch die jahrhundertlange politische
Zugehörigkeit der Sudetenländer zu Deutschland und die Germanisierungs-
bestrebungen der Luxemburger, dauu Ferdinands Ii. und Josephs Ii., wodurch
deutsche Beamte und Richter, Priester und Lehrer, Handwerker und Künstler in
großer Menge in das „Land der Wenzelkrone" geführt und dem gesamten wirt-
schaftlichen und geistigen Leben daselbst der deutsche Charakter aufgeprägt wurde.
Freilich blieben auch die Gegenströmungen nicht aus, so unter der Herrschast der
Hussiteu und jetzt wieder, wo das Deutschtum in Böhmen im schwersten Kampfe
steht. — Die Länder sind vorwiegend tschechisch; das Verhältnis der tschechi-
schen Nationalität zur deutschen ist 3:2.
Böhmen. Die tiefe und durch Randgebirge geschützte Lage (Prag 180 m)
sowie das ziemlich milde Klima verursachen die hohe Fruchtbarkeit des Bodens.
Ganz besonders günstig liegen die Verhältnisse für die Landwirtschast in
Nordböhmen. Außer Getreide, besonders Weizen, baut man hier Hopfen.
(Saaz), Obst und Zuckerrüben. Ein Drittel des Landes liegt indes in den
Händen des Großgrundbesitzes. Das Volk selbst ist arm. Größte Wichtigkeit
nicht bloß für Böhmen, sondern für die ganze Monarchie hat Nordböhmens
Kohlenreichtum. In der Umgebung von Pilsen erstrecken sich ausgedehnte
Eisen-und Steinkohlenlager, welche Pilsen (8000t) Einw.) zu einer bedeutenden
Industriestadt (Großbrauereien) gemacht haben, und zwischen der Eger und dem
Erzgebirge liegt die Braunkohlenmulde, deren Produkte auch vielfach nach außer-
böhmischen Jndustrieorten in großen Mengen geliefert werden. Weltberühmt sind
ferner infolge ihrer Mineralquellen die Badeorte Teplitz, Karlsbad
und Marienbad. — An den Gebirgsrändern nötigt der weniger ergiebige
Boden die Bevölkerung zur Jndustrietätigkeit. So sind im Böhmerwald, der
Holz und Quarz liefert, große Glashütten in Betrieb, und im sudetischen
Böhmen blüht die Webe-Industrie; hier ist Reichenberg (35000 Einw.)
Hauptsitz der Wollweberei und Rum bürg Mittelpunkt des Leinenwebereibezirkes.
Fast in der Mitte des Landes und im Kreuzungspunkte der wichtigsten
Verkehrsstraßen an der schiffbaren Moldau liegt Prag, die Hauptstadt, mit be-
deutender Industrie, Sitz einer deutschen und einer tschechischen Universität,
Ausgangspunkt der neuhochdeutschen Schriftsprache (Kaiserliche Hofkanzlei der
Luxemburger), mit Vororten 625000 Einw.
Mähren. Gleich Böhmen ist auch Mähren ein sehr fruchtbares Laud.
Die Ebeue südlich von Olmütz, die weizen- und gerstenreiche Hanna, zählt
sogar zu den Kornkammern Österreichs. Auch zwei Arten der Industrie sind zu
großer Bedeutung gelangt. Im Gesenke, wo viel Flachs gebaut wird, blüht die
Lein wand in dustrie, und auf der mittleren Abdachung der Mährischen Höhe,
auf der vor allem Schafe weiden, die Wollindustrie. Der Hauptsitz der