1873 -
Dresden
: Meinhold
- Autor: Kleinpaul, Bernhard
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Höhere Schulanstalt, Seminar
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
Deutschland.
89
Stämme und Religion.
In Deutschland giebt es
gegen 37 Mm. Deutsche;
ziemlich 21/2 Mill. Polen in den Provinzen Preußen, Posen
und Schlesien;
1 Mill. Franzosen (l/4 Mill. um Metz),
resp. Wallonen (an der belgischen Grenze).
Außerdem finden sich noch
Dänen in Schleswig;
Litthauer im Nordosten;
Kassuben im Nordosten von Pommern;
Menden in der Lausitz;
Czechen im Süden von Ober- und Mittelschlesien, und
Juden außer in großen Städten besonders in Hessen
und Elsaß-Lothringen.
Die Sprachgrenze der Deutschen ist freilich zum Theil eine
ganz andere, als die politische.
Im Westen beginnt sie zunächst nördlich von Calais, geht
südlich von Brüssel bis in die Nähe von Aachen, läßt Eupen
östlich und Malmedy westlich und zieht sich an der Westgrenze
der Rheinprovinz und des Großherzogthums Luxemburg bis in
die Umgegend von Diedenhofen. Jetzt wendet sie sich südöstlich
und geht im Allgemeinen der politischen Grenze entlang nach
den Vogesen, verfolgt mit der Reichsgrenze den Kamm dieses
Gebirges, wendet sich längs des ostlichen Jurarückeus nach dem
Nordende des Nenenburger Sees und erreicht endlich in süd-
südöstlicher Richtung den Südfnß des M. Rosa in Italien.
Die Süd grenze wendet sich zunächst zum St. Gotthard,
geht Uber die graubündner Alpen bis zum Ortles und streicht
südlich von den tiroler Alpen im Allgemeinen nördlich von der
Drau zwischen dem deutschen Villach und dem slavischen Klagen-
surt in östlicher Richtung bis zur Grenze von Steiermark.
Hier beginnt die Ost grenze. Dieselbe geht zunächst fast
nördlich über Preßburg entlang der unteren March bis zur
Mündung der Tbaya, dann wendet sie sich mehr westlich, ver-
folgt den Lauf der Jglawa und streicht an den Rändern Böh-
mens hin, mit Ausnahme des südöstlichen. Beim Glatzer Ge-
birgsland angelangt, bildet sie eine nach Süden gerichtete
Sprachhalbinsel, erreicht die Oderquelle und geht nun fast
nördlich zwischen Oppeln und Brieg bis an die Südgrenze des
Großherzogthums Posen. Ist sie von jetzt an im Allgemeinen
an der westlichen Grenze Posens, so verfolgt sie von da
einen nordöstlichen Lauf bis unweit Jnsterburg in Ostpreußen
und erreicht endlich in nordwestlicher Richtung und lettischer
Nachbarschaft das kurische Haff.
Die Nordgrenze wird durch die Südküste der Ost- und
Nordsee vom kurischen Haff bis in die Gegend von Grevelingen
in Frankreich gebildet, mit Ausnahme der zu der großen Sla-
venfamilie gehörigen Kajsuben im nordöstlichen Winkel Pom-
merns und der Dänen in Jütland und im nördlichen Theile
Schleswigs. Dort bildet eine Linie ungefähr südlich vom 55°
die Sprachgrenze.
Innerhalb dieses Gebietes ist die von Wenden bewohnte,
ca. 60 ^Meilen große Sprachinsel der Lausitz. Bon den Quellen
der Spree bis nördlich von Kottbus finden sich gegen 130,000
Angehörige dieses Stammes.
Im Ganzen zählen wir
gegen 37 Mill. Deutsche im deutschen Reich,
10 - in Oesterreich,
gegen 10 - - - Nordamerika,
11—12 - - - anderen Ländern.
66—70 Mill. in Summa.
Während das Neuhochdeutsche im ganzen deutschen
Reiche die Schrift- und Umgangssprache der Gebildeten ist,
treten doch noch je nach den verschiedenen Theilen des Reiches
verschiedene Mundarten oder Dialekte hervor. Wir unter-
scheiden
oberdeutsche Dialekte:
Alemannisch, zwischen Vogesen und Schwarzwald,
Schwäbisch, zwischen Schwarzwald und Lech,
Baiersch, im Donaugebiet vom Lech bis zur Leitha (hier-
her gehört die österreichische Mundart als eine Ab-
art der baierschen),
Fränkisch zu beiden Seiten des Main, vom Erzgebirge
bis zu dem Moselgebiet;
und nieder- oder plattdeutsche Dialekte:
Westphälisch, vom Rhein bis zur Weser,
Friesisch, im Küstengebiet von der Ems bis zur Elbe,
Medersäch fisch, in der Ebene von der Weser bis Uber die
Oder hinaus.
Den Uebergang von den oberdeutschen zu den nieder-
deutschen Mundarten bilden
die obersächsische, im mittleren Deutschland bis Schlesien hin,
und
die mederrheinische Mundart, in der Gegend der Eisel.
Was die religiösen Verhältnisse anlangt, so finden wir
unter den 41 Mill. Einwohnern Teutschlands
24y4 Mill. Protestanten. Sie bilden den Grundstock der
Bevölkerung in Norddeutschland;
gegen 15 Mill. Katholiken. Sie bilden den Grundstock der
Bevölkerung Süddeutschlands (7 Mill.) und finden
sich außerdem in den äußersten westlichen und öst-
lichen Landschaften Norddeutschlands (8 Mill.).
Dazu kommen
ziemlich 2 Mill. Juden, Dissidenten und Andere.
Das deutsche Volk, obwohl oft uneinig, nicht immer
rasch entschlossen, ohne Glätte und Gewandtheit, ist doch das
Volk des Gemüths, wovon seine Knnst, vor Allem seine Poesie
hinreichendes Zengniß ablegen. Und unter allen Völkern der
Erde glänzt es durch seine Wissenschaft, was sich durch seine
Schulen und Universitäten, durch die bedeutendsten Leistungen
auf dem Gebiete der Philosophie, wie in den gefammten wissen-
schaftlichen Disciplinen sattsam dokumentirt. Doch das Herr-
lichste, was wir von ihm sagen dürfen, ist, daß es, ernst und
tief, den höchsten Ernst mit dem Christenthume gemacht hat.
Dies beweist die große That der Reformation.
12