1911 -
Hannover-List [u.a.]
: Carl Meyer (Gustav Prior)
- Autor: Marquardt, Rudolf
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Lehrerbildungsanstalt
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
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einer amerikanischen Stadt, die ebensogut auf den Goldfeldern Kaliforniens
oder sonstwo in der Welt hätte entstehen können; denn das Grün, das sie
aufzuweisen hat, verdankt sie künstlichen Anlagen, und ihre Gärten erinnern,
einige wenige Palmen ausgenommen, mehr an Südfrankreich als an die
Tropen. Die Berge sind meist kahle, ausgebrannte Krater, mit großen
Strecken kahlen Landes zu ihren Füßen, die nur hie und da durch Zucker-
rohrselder, Bananen- und Taroplantagen unterbrochen werden. Etwas
grüner sah zwar die jenseits der Berge gelegene Küste aus; aber paradiesisch
konnte ich auch diese durchaus nicht sinden.
Die anderen Sandwich-Inseln ähneln Oahu. Die größte derselben,
Hawaii, ist allerdings an der Nordostküste zumeist grün und stellenweis wild-
romantisch; aber dafür sind West- und Südseite mit riesigen Lavafeldern
überzogen. Wohl kommen auch auf den Hawaii-Jnfeln schöne, sogar recht
schöne Punkte vor, und im Mondschein sehen die kahlen, scharfgekanteten
Kraterwände recht gut aus; die Mondscheinnächte Honolulus sind aber nur
dadurch so berühmt geworden, daß die zwischen Sydney und San Francisco
verkehrenden großen Mailsteamer hier eine Nacht liegen bleiben und den
Passagieren gerade Zeit lassen, sich von einigen abgelebten Hula-Mädcheu
etwas vortanzen zu lassen, dabei Champagner zu trinken, von Schönheit und
Liebe zu schwärmen, um, wenn der Kopfschmerz des nächsten Tages über-
wunden ist, die Insel für das irdische Paradies zu erklären.
So wenig einnehmend wie das Land sind seine jetzigen Bewohner, die
aus amerikanisierten Eingeborenen, aus Chinesen, Japanern und aus Weißeu
bestehen, die entweder Amerikaner sind oder es zu sein zum größten Teil
vorgeben. Die Kanakas bilden einen solchen Mischmasch von Polynesischem
und Amerikanischem, daß sie gerade auf der Stufe stehen, wo einem der
Mensch am unangenehmsten ist. Das frühere schöne, harmlose und immer
fröhliche, durch seine anmutenden Lieder und Tänze berühmte Naturvolk ist
längst ausgestorben, was übriggeblieben, wird auch nicht mehr allzulange auf
dieser Erde weilen; die Hawaiier gehen ihrem Ende schnell entgegen, um so
schneller, als die Mädchen, statt ihresgleichen zu heiraten, lieber nach den
Städten wandern, um nach einem kurzen, Eros, Tralles und Terpsichore
geweihten Leben zugrunde zu gehen.
Das Interessanteste auf den Hawaii-Jnfeln, zugleich eiue der großartig-
sten und erhabensten Erscheinungen unseres Planeten, ist der Kilauea aus
Hawaii mit dem feuerflüssigen Lavasee Halemaumau, „das Haus des ewigen
Feuers".
Es ist jetzt nicht mehr schwer, dorthin zu gelangen. Gehören die Schiffe,
die zwischen Oahu und Hawaii verkehren, auch nicht zu den besten, ist der
zurückzulegende Landweg auch keiue Kunststraße, so sieht und hört man auf
der Reise doch soviel Interessantes, daß die Zeit schnell genug vergeht. Die
Schiffe verlassen Honolulu des Morgens. Schon an der Landungsbrücke
bietet sich ein belebtes, anziehendes Bild. Die Abreisenden werden von
Freunden dermaßen mit Blumen behangen, daß sie oft einer wandelnden
Blumenpyramide ähneln, die vom Träger nur einen Hut und das Ende von
ein Paar Beinen sehen läßt. Blumen sind auch heutigen Tages noch der
Lieblingsschmuck der Kanakas, und die Sitte, Blumenketten zu verschenken,
ziehe ich der unsrigen, Damen Blumensträuße mitzugeben, entschieden vor,
man behält dabei wenigstens die Hände frei. Das Schmücken geschieht nicht