Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Quellenlesebuch für den Unterricht in der Länder- und Völkerkunde - S. 118

1911 - Hannover-List [u.a.] : Carl Meyer (Gustav Prior)
— 118 — hierzubleiben. Auf der 70 m breiten Landenge zwischen zwei kleinen Seen wurde unser nasses Zelt aufgeschlagen. Wir sehen der bevorstehenden Nacht mit einem gewissen Unbehagen entgegen und fragen uns, was sie wohl bringen werde. (4. Regenzeit.) Schon um acht Uhr wurden die Tiere in gewöhn- licher Weise gebunden. Die Luft war ruhig, aber alle Himmelsrichtungen konnten als gleich unsicher gelten. Diese Nacht war noch ärger als die vorige; es war, als ob Tausende von Dachrinnen ihren Inhalt über unser Lager ausschütteten. Aber die hierzulande vorgeschriebene Regenzeit war da, und wir hatten kein Recht, uns zu beklagen. Wenn man, wie ich dies- mal, vier Stunden Wache hält und bis auf die Haut naß wird, so weiß man ganz genau, wie ein richtiger, ehrlicher Regen beschaffen sein muß . . . 31. Juli. Als ich nach mehrstündigem Schlafe geweckt wnrde, um beim Einpacken und Beladen zu helfen, stürzte der Regen noch ebenso lustig nieder wie bisher; aber hier gab es keine Gnade: hinauf in den Sattel, sobald der Tag anbrach, und fort nach Südosten über beschwerliches, stark kupiertes Terrain. Jetzt hatte unsere kleine Gesellschaft keinen trockenen Faden mehr an sich, so daß uns der Regen eigentlich wenig genierte; aber wir sehnten uns danach, daß die Sonne sich einmal über uns erbarmte und uns trocknete. Als ich mich auf meinen weichen, gepolsterten Sattel setzte, tropfte das Wasser aus ihm; nachher erhielt ich vom Regen eine so gründliche Dusche, daß das Wasser von meinen Kleidern in die Stiefel rann, in denen es bei der geringsten Bewegung plätscherte. Erhob ich meinen Arm, so klang es ungefähr, als ob ein Spüllappen ausgerungen werde. Der Weg, dem wir noch immer folgten, — schon jetzt war deutlich zu erkennen, daß er nach Lhasa führte, — ging über fünf Pässe, von denen jedoch die beiden letzten nur in kleineren Abzweigungen zwischen Tälern lagen, deren Bäche einem Haupttale zuströmten. Im Osten sah man den sich schlängelnden Fluß. (5. Überschreiten eines Flusses.) Jetzt führte der Weg gerade nach dem rechteu Ufer eines so breiten gewaltigen Flusses, daß wir ihn von ferne für einen See hielten, dessen gegenüberliegendes Ufer vom Regen verschleiert wurde. Doch das laute Aufschlagen der Regentropfen auf der Wasserfläche wurde bald durch ein dumpferes Getöse wie vom Heranwälzen großer Wassermassen übertönt. Auch die gelbe trübe Farbe verriet einen Fluß, und als wir am Ufer standen und die Wellen nach Westsüdwesten rollen sahen, war unser Schicksal deutlich besiegelt; denn hinüber mußten wir um jeden Preis. Der Fluß, der kein anderer war als der Satschn-sangpo^), den schon Bonvalot, Prinz Heinrich von Orleans und Rockhill vor mir in derselben Gegend überschritten hatten, war infolge des ewigen Regens zu ungeheuren Dimensionen angeschwollen und teilte sich in seinem breiten Betteln zwanzig Arme, von denen jeder an und für sich schon einen ziemlich großen Fluß bildete. Vier Arme waren kolossal, und es erschien mir fast unmöglich, sie zu durch- waten. Doch ohne einen Augenblick zu zögern, und ohne die Furt erst genauer zu untersuchen, giug der Lama2), der stets vorauritt, gerade in das x) Der Fluß mündet nordwestlich von Lhasa in den Selling-tso (See), der iviederum etwas nördlich zwischen Tengri-nor und Dangrajum-tso (Seen) liegt. 2) = ein buddhistischer Priester, der von Sven von Hedin für den Zug gewonnen war.
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer