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1. Quellenlesebuch für den Unterricht in der Länder- und Völkerkunde - S. 190

1911 - Hannover-List [u.a.] : Carl Meyer (Gustav Prior)
— 190 — ihn früher Pilatussee. Die Sage will wissen, daß der römische Landpfleger, nach dem der Gebirgsstock seinen Namen hat, in die Wasser zu Füßen des Gebirges gebannt ist. Früher habe Pilatus seinen Sitz auf den Höhen gehabt. Zur Strafe für seine Mitschuld an der Kreuzigung Christi sei seine Leiche und sein unseliger Geist nach seinem Selbstmord in Vienne zu Frankreich zu ewigen Leiden auf den Gipfel des Gebirgszugs am Vierwald- stättersee gekommen. Als grauenhaftes Gespenst habe er dort gehaust und Menschen und Tiere erschreckt. Ein mutiger fahrender Schüler habe das Wagnis unternommen, den Verheerungen des Geistes ein Ende zu machen. Pilatus habe sich nach entsetzlichen Beschwörungen, unter denen der Berg ins Wanken gekommen sei, dazu verstanden, auf einem Dämon in Roß- geftalt von seinem Hochsitz herunterzukommen und im See seine Behausung aufzuschlagen. Nur einmal im Jahre, am Karfreitag, dürfe er aus der Tiefe steigen. Wenn dann in der Kirche die Passion gesungen werde, könne man ihn in Amtstracht sehen. Ein Teufel halte ihn an einer eisernen Kette. Pilatus, dem Haar und Bart eisgrau vom Haupt herabflössen, säße auf seinem Richterstuhle und wasche sich die Häude. Die übrige Zeit des Jahres müsse er immer in der Tiefe des Sees zubringen, wo er furchtbare Stürme und Gewitter hervorrufen könne. Besonders empfindlich und räch- süchtig zeige er sich, weuu mau ihn reize und höhue, Gegenstände in den See werfe oder seinen Namen rufe. (3. Aussicht vom Rigi.) Als Hochwacht über dem Vierwaldstätter- see und seinen Ufern, als Distanzpunkt zum Betrachten der Schweizer Alpen ist der Rigi allen Aussichtsbergen des Schweizer Landes ohne Unterschied vorzuzieheu. Wie eine von vier Seen umspülte Insel steigt er, von den Windungen des Vierwaldstättersees auf zwei Seiten umfangen, vom Zuger- see und vom Lowerzersee an seinen entgegengesetzten flacheren Enden bekränzt, aus den Wassern empor. Eine breite klotzige Masse von grünen Wiesen und braunem Gestein, die von allen Gebirgszügen abgesondert ist. Denkt man sich das Rundbild der Alpen als ein ungeheures Gemälde, das nur dann als Ganzes verständlich ist, wenn wir bei seiner Betrachtung zurücktreten, so bildet die Erhebung des Rigi diejenige Stelle zum Überschauen der Alpen, von der aus das Hochland als eine geschlossene Einheit sichtbar ist. Und auch das tiefe Land, der Übergang der Felsen und grünen Berge zu Hügeln und waldigen Höhenzügen; das Auslaufen der Alpen in mäßig und mäßiger durchfurchtes und zerklüftetes Gelände; das Größerwerden der Flüsse und Seen, je weiter es nach der Tiefe geht; die mit der Abflachung wachsende Sonnigkeit und Fruchtbarkeit der Landschaft: das alles tritt vom Rigi aus, der zwischen Hochgebirge und Bergvorland wie ein Mittelding zwischen Berg und Hügel eingeschaltet ist, deutlich und verständlich in Er- scheinung. Im Hintergrunde sieht man die Alpen, ein unendliches Meer von kühnen Spitzen und Bögen, das mit dem Horizont zusammenschmilzt und wie eine Riesenmauer die nördliche Welt abschließt. Erinnerungen an die Unendlichkeit von Zeit und Raum und an die lächerliche Kleinheit der Gegenwart stellen sich ein. Ein Denkmal an die hunderttausendjährige Ver- gangenheit unseres Planeten, eine Mahnung an die Tage, als die flüssige und kochende Erde noch Berge und Länder zermalmte, liegt vor uns. Im Vordergrunde sehen wir die leidenschaftlichen Formen und die
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