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1. Quellenlesebuch für den Unterricht in der Länder- und Völkerkunde - S. 217

1911 - Hannover-List [u.a.] : Carl Meyer (Gustav Prior)
— 217 — die darauf bestanden, daß ich auch ferner Eskorte mitnehmen müsse, und mir eine Menge Räubergeschichten erzählten. Gerade in der Gegend, nach der ich reiste, sollen die übelsten Raubnester liegen, an der Theiß, wo die Sümpfe und Wüsten ihre Ausrottung fast unmöglich machen. Sie sind vortrefflich beritten und bewaffnet, diese Petyaren, überfallen in Banden von 15 und 20 die Reisenden und die Höfe und sind am andern Tage 20 Meilen davon. Gegen anständige Leute sind sie höflich. Ich hatte den größten Teil meiner Barschaft und die nette Knarruhr bei Fürst Windischgrätz gelassen, nur etwas Wäsche bei mir, und hatte eigentlich etwas Kitzel, diese Räuber zu Pferde, in großen Pelzen, mit Doppelflinten in der Hand und Pistolen im Gurt, deren Anführer schwarze Masken tragen und dem an- gesessenen Landadel angehören sollen, näher kennen zu lernen. Vor einigen Tagen waren mehrere Gendarme im Gefecht mit ihnen geblieben, dafür aber 2 Räuber gefangen und in Kecskemet standrechtlich erschossen worden. Der- gleichen erlebt man in unsern langweiligen Gegenden gar nicht. Um die Zeit, wo Du heut morgen aufwachtest, hast Du schwerlich gedacht, daß ich in dem Augenblick in Cumanien, in der Gegend von Felegy-haza und Csongrad mit Hildebrand im gestreckten Galopp über die Pußta (Steppe) flog, einen liebenswürdigen, sonnenverbrannten Ulanen- offizier neben mir, jeder die geladenen Pistolen vor sich auf dem Heu liegend, und ein Kommando Ulanen, die gespannten Karabiner in der Faust, hinterherjagend. Drei schnelle Pferdchen zogen uns, die unweigerlich Rosa (sprich Ruscha), Csillak (Stern) und der nebenlaufende Petyar (Vaga- bund) heißen, von dem Kutscher ununterbrochen bei Namen und in bittendem Tone angeredet werden, bis er den Peitschenstil quer über den Kopf hält und mega mega (halt an) ruft; dann verwandelt sich der Galopp in sausende Karriere. Ein sehr wohltuendes Gefühl. Die Räuber ließen sich nicht sehen; wie mir mein netter brauner Leutnant sagte, würden sie schon vor Tagesanbruch gewußt haben, daß ich unter Bedeckung reiste, gewiß aber seien welche von ihnen unter den würdig aussehenden stattlichen Bauern, die uns auf den Stationen aus den ge- stickten, bis zur Erde gehenden Schafpelzmänteln ohne Ärmel ernsthaft be- trachteten und mit einem ehrenfesten iltein adiamek (Gelobt sei Gott) begrüßten. Die Sonnenhitze war glühend den ganzen Tag, ich bin im Gesicht wie ein Krebs so rot. Ich habe 18 Meilen in 12 Stunden gemacht, wo- bei noch 2 bis 3 Stunden, wenn nicht mehr, auf Umspannen und Warten zu rechnen sind, da die 12 Pferde, die ich brauchte, für uns und die Be- deckung erst gefangen werden mußten. Dabei waren vielleicht 1is des Weges tiefster Mahlsand und Dünen wie bei Stolpmünde. Um 5 kam ich hier an, wo ein buntes Gewühl von Ungarn, Slowaken, Walachen die Straßen (Szolnok ist ein Dorf von etwa 6000 Einwohnern, aber Eisenbahn und Dampfschiffstation an der Theiß) belebt und mir die wildesten und verrücktesten Zigeunermelodien ins Zimmer schallen. Dazwischen singen sie durch die Nase mit weit aufgerissenem Munde in kranker, klagender Molldissonanz Geschichten von schwarzen Augen und von tapferm Tode eines Räubers in Tönen, die an den Wind erinnern, wenn er im Schornstein lettische Lieder heult. Die Weiber sind im ganzen gut gewachsen, aber von Gesicht, bis auf einige ausgezeichnet schöne, nicht
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