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1. Quellenlesebuch für den Unterricht in der Länder- und Völkerkunde - S. 231

1911 - Hannover-List [u.a.] : Carl Meyer (Gustav Prior)
— 231 — schweifwedelnd oder bellend kommen sehen, findet sich hier in traulicher Enge und übersieht im nächsten Augenblick das ganze Seinetal. Tief unten liegt Sevres mit seinen roten Dächern im grünen Laub friedlich rauchend da, und dahinter steigen die bewaldeten Hügel im blauen Nebellicht wieder empor. Zur Linken öffnet sich die lange hohe Parkmaner, und man tritt in den alten Königsgarten, der jetzt dem Volke allein gehört. Und nun beginnen wieder diese endlos geraden Alleen, die alle in die Unendlichkeit zu führen scheinen, und diese schönen Rasenflächen, worauf frohe Menschen in sonntäglicher Muße lagern. Heiter plaudernd kommen die Familien herauf- gestiegen. Die Kinder mit Schmetterlingsnetzen und ihrem Diavolospiel^), der Vater mit rührender Geduld die geschwollene Markttasche schleppend und die Mutter das Ganze kommandierend. Sie kommen truppweise die maje- stätisch hoheu Alleen herauf, liegen im Gras und sitzen in Gruppen umher und erfüllen die knnftgeformte Landschaft mit den heitersten Lauten der Gegenwart. Rückwärts ein steil ansteigender Weg mit einer bunt wimmeln- den Menge, und geradeaus, über den nach unten abfallenden Weg hinweg, schweift das Auge durch steinerne Tore, über Rampen und Bassinarchitektur hinweg, wieder zu einem neuen Gartenhügel hin, der bnnt daliegt im viel- farbigen Grün des Frühlings, im Weiß der Kastanienkerzen und im Violett der Fliederblüte. Gleich wird die heitere Laudschastskuust der Franzosen wieder lebendig. Überall sind Bilder, immer von neuem nennt man Namen lieber Meister. Es ist vor allem das kunstvoll genutzte, mannigfaltige Ter- rain dieser Gärten, was viele Raumvariationen und damit so großen Bilder- reichtnm erzeugt. Mau steht immer irgendwo oben oder unten, und die Genüsse steigern sich in dem Maße, wie sich die Architekturwirkungen den Natureindrücken gesellen. Tritt man endlich auf die Terrasse hinaus und sieht ganz Paris unter sich, mit allen Türmen und Kuppeln, die Seine mit ihren Brücken zu Füßen und jenseits zur Rechten die blauen Hügel mit dem schön akzentuierenden Viadnkt von Mendon, so scheint dieser Effekt durchaus wie etwas kunstmäßig Vorbereitetes. Ein ungeheures Becken überblickt man von St.-Eloud bis zum Montmartre, und auf seinem Grunde ruht die Weltstadt. Und alles ist doch, trotz der Dächer, Schornsteine, Giebel, Türme und dem Straßengewirr, heiterste Natnr. Balzac hatte recht, als er diese Landschaft in der Nähe von Paris rührend nannte. Die Natur ist rings- umher so hell, sanft heiter und festlich, daß man sie genießt wie etwas weiblich Schönes. Nirgends zeigt sie, was man die Knochen der Landschaft nennen könnte, die Konstruktiousformen. Man denkt unwillkürlich dort oben auf der Terrasse von St-Elond an das schöne Wort, das in Goethes Lob- gesang auf die Natur steht: „Sie ist die einzige Künstlerin: aus dem sim- pelsten Stoff zu den größten Kontrasten; ohne Schein der Anstrengung zu der größten Vollendung, zur genauesten Bestimmtheit; immer mit etwas Weichem überzogen." (4. Der Deutsche und der Franzose.) In Deutschland empfing den Zurückkehrenden der Werktag. Mit tausend Hämmern rasselte die Arbeit, und Rauch und Qualm standen über den Städten wie riesige Glocken aus Dunst und Nebel. Es war, als hätte man ein Acker- und Gartenland ver- lassen, um ein Industrieland zu betreten. *) Zwei Kinder stehen einander gegenüber und werfen sich Rollen zu, die mit schnüren aufgefangen werden, welche an zwei Stäbchen befestigt sind.
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