1911 -
Hannover-List [u.a.]
: Carl Meyer (Gustav Prior)
- Autor: Marquardt, Rudolf
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Lehrerbildungsanstalt
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
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erhebt man ihn leicht einige Zoll über den Kopf. Man striegelt sich nicht
in der Öffentlichkeit mit einem Taschenkamm die Haare oder dreht sich
unausgesetzt den aufgezwirbelten Schnurrbart mit den Fingern, wie einem
das so anmutig auffällt, sobald man bei Goch oder Herbesthal die Reichs-
grenze überschritten hat. Man gafft Leuten auf der Straße nicht neugierig
ins Gesicht, sondern ignoriert sie. Auch das Gesicht ist privates Eigentum,
dessen Nutznießung keineswegs den Augen des Fremden ohne weiteres zusteht.
Im allgemeinen fährt man in den englischen Ländern gnt, wenn man seine
Mitmenschen im wesentlichen überhaupt wie Luft behandelt. Auf der Straße
und in der öffentlichen Restauration spricht man mit gedämpfter Stimme,
nicht in schreiendem Ton. Man hat nicht das Recht, für seine Schallwellen
den Lnstranm anderer mitzneskamotieren. Unterhaltungen, deren Schall,
z. B. in einem Restaurant, über den Umfang eines einzelnen Tisches hinaus-
geht, gelten als Zeichen einer schlechten Erziehung; sehr im Gegensatz zu
den Manieren der deutschen Gesellschaft bis in die besten Kreise hinauf,
wo man glaubt, nicht die geringste Rücksicht auf die Umsitzenden nehmen zu
brauchen, und sich laut unterhält, so daß das ganze Lokal teilnehmen kann.
Es sind solche Äußerlichkeiten, weswegen die Deutschen so häufig in England
über die Achseln angesehen werden.
Das englische Gesellschaftsleben ist mit einem Zaun bestimmter und
ein für allemal feststehender Regeln umgeben, welche man innehalten muß,
wenn man dazu gehören will. Meistens sind diese Regeln durchaus nicht
willkürlich, sondern sie beruhen auf einem feinen Gefühl für die Rechte des
andern und in der ritterlichen Anerkennung der Privilegien des weiblichen
Geschlechts. Teutschland hat seine Gesellschaftsregeln im wesentlichen von
Frankreich adoptiert; daher kleiden sie den Deutscheu oft so schlecht und er-
scheinen fremden Beobachtern affektiert, z. B. das lächerliche Herabreißen der
Hüte, die Verbeugung der Männer ä la Taschenmesser; die Anrede jeder
Dame als „gnädig", des Herrn in der dritten Respektsperson: „Haben der
Herr Soundso vielleicht bemerkt usw?" — was übrigens dem Militarismus
entstammt. England hat seine gesellschaftlichen Formen selbständig von
Ausländern aus sich heraus entwickelt. Deshalb sind sie dem einzelnen
natürlich und kleiden ihn nicht wie ein gestohlener Rock.
Iii. Schottland.
(„Reisebilder aus Schottland von Alexander Baumgartner, S. I. Mit
zwei Bildern in Farbendruck, 85 Abbildungen und einer Karte. Freiburg im Breisgau,
Herdersche Verlagshandlung. 3. Aufl. 1906 brosch. 5,50 Mark, geb. 8 Mark S. 18,
53, 69, 75—76, 80—81, 108-109, 201—202.)
(1. Glasgow, a. Gesamtansicht.) Eine große, volkreiche Stadt,
nach London die bevölkertste im vereinigten Königreich — eine halbe Million
Einwohner oder mehr. Schon von ferne merkt man, daß man sich einer großen
Metropole nähert. Andere Schienenwege rücken an die Hauptlinie heran
und verschmelzen sich mit ihr, andere Bahnen und zahlreiche Straßen kreuzen
sie, Eilzüge und Güterzüge fahren an uns vorüber, große Fabriken erscheinen
links und rechts in immer kleineren Zwischenräumen, durch Privatschienen-
wege mit der Bahn verbunden, um sie herum die monotonen Arbeiterhüuser,
eines am andern, mit derselben Tür- und Fensterzahl. Die Ortschaften