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1. Quellenlesebuch für den Unterricht in der Länder- und Völkerkunde - S. 272

1911 - Hannover-List [u.a.] : Carl Meyer (Gustav Prior)
— 272 — kaum vorspringenden Satteldächern, Scheunen aus senkrecht stehenden Brettern und auf den Straßen und Feldern Leiterwagen mit zwei Pferden im Kummet- geschirr. Die Fahrwege waren geradlinig, die einzelnen Häuser umgaben hohe frischgrüne Bäume, die Dörfer waren so sauber und ordentlich, wie es niemals russische Dörfer sind, und rings um die Ansiedelungen breiteten sich wohlgepflegte Felder aus. Aber einer Wahrnehmung konnten wir uns trotz des uus überkommenden patriotischen Stolzes und heimischen Gefühles nicht erwehren: all die Sauberkeit und der sich überall äußernde Ordnungs- sinn wirkten vom künstlerischen Standpunkte aus ungemein nüchtern und plump im Vergleich zu deu stroh- oder holzgedeckten Häuschen der Russen mit ihren vorspringenden Dächern und zu den malerischen Teljägen und Troiken mit ihrer Gabeldeichsel, Duga und dem unermüdlichen Glöckchen. Gerade hier, so unvermittelt nebeneinander gestellt, ließ sich der Unterschied zwischen den Bauten und Gerätschaften beider Nationen besser beurteilen als sonst irgendwo. An den den Ansiedelungen zunächst gelegenen Stationen Michailowka und Fedorowka sahen wir einzelne Deutsche auf dem Perron, und an Stellen, welche mittels Höhenzügen gegen die Nordoststürme geschützt waren, bemerkten wir die von deutschem Fleiß und deutscher Ausdauer aus dem Boden gezauberten Waldparzellen. Die Deutschen, welche in Rußland ein nicht zu unterschätzendes Kultur- elemeut bilden, zählen innerhalb der russischen Grenze mehr denn eine Million, obwohl sie in den Ostseeprovinzen nicht einmal 7 Prozent der Grnndbevöl- kernng betragen*). Sie sind außer als Professoren, Beamte, Fabrikaufseher, Verwalter und Handwerker als Ackerbauer in zahlreichen Kolonien über das ganze Land verbreitet. Bei Petersburg finden wir 17 deutsche An- siedelungen, von denen die ältesten aus dem Jahre 1764 stammen. In den Gouvernements Olonez, Nowgorod, Woronesh und Poltawa begegnen wir je einer, im Gouvernement Tschernigow sieben, drei katholischen und vier protestantischen, welche infolge t>on Vereinzelung fast in der russischen Be- völkerung aufgegangen sind. Über das Gouvernement Kiew verteilen sich 2400 Deutsche, nicht zu einer eigentlichen Kolonie zusammengeschweißt; in Wolhynien hingegen sind es 36 zwar sehr kleine Kolonien, und auch in Podolien vermissen wir die deutschen Ansiedler nicht. Nach Osten haben sich die ackerbauenden Deutschen bis in die kaukasischen Länder ausgedehnt und bis an die Wolga, wo sie ihre bedeutendsten Niederlassungen gegründet haben, nämlich 122 ziemlich große Ortschaften, von denen auf die Pro- teftanten die meisten, auf die Katholiken aber immerhin 42 wenn auch kleinere entfallen**). *) Es gibt in den sogenannten deutschen Provinzen sogar mehr Russen als Deutsche. Außer aus Russen und Deutschen besteht die Bevölkerung aus Finnen (31 Prozent), Letten und Litauern (47 Prozent), Polen. Schweden und Juden. **) Jung: Deutsche Kolonien, S. 182 u. ff.
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