1911 -
Hannover-List [u.a.]
: Carl Meyer (Gustav Prior)
- Autor: Marquardt, Rudolf
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Lehrerbildungsanstalt
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
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säubern Häuser freut, die der und jener Uhrmacher, aus der Fremde heim-
gekehrt, sich erbaute, um in behaglichem Wohlstande, den er draußen in der
Welt erworben, aber in der Väter einfacher Weise seine alten Tage zu der-
leben und Heimatluft zu atmen bis an sein Ende, gleich jenen Engadiner
Zuckerbäckern süßeu Angedenkens, die in ihrem freien Hochtal so gern er-
zählen von den Herrlichkeiten der europäischen Hauptstädte. Und hat man
sich in einem jener behaglichen hinterwäldlerischen Wirtshäuser mit ihren
großen Stuben und ihrer weiten Fernsicht ans die warme Ofenbank gelegt
und läßt sich von einem alten Uhrmacher erzählen, wie es ihm in Moskau,
Loudou oder New Jork ergangen, oder lieft er, zutraulich und gesprächig
geworden, die neueste englische Zeitung oder den Brief eines Sohnes im
fernen Westen vor, da erfüllt es mit hoher Befriedigung, Zeuge davou zu
sein, wie durch die aus so unscheinbaren Anfängen hervorgegangene, durch
die Not sozusagen erst aufgedrängte Industrie dem herrlichen Heimatsgebirge
eine Fülle von Wohlstand, Knltnrfortschritt und Intelligenz zuteil geworden ist.
Über Ursprung, Entwickeluug und derzeitigen Stand der Schwarzwald-
industrie mag hier kurz erwähnt sein, daß 1683 die ersten Glashütten ent-
standen, und daß durch sogenannte „Glasträger" (Hausierer) kurz darauf
die erste Holzuhr ihren Weg iu den Schwarzwald fand. Die ersten Nach-
ahmungen derselben durch Lorenz Frey aus dem Spirzental bei St. Märgen
und andere hatten keine weitern Folgen. Erst 1725 blühte die Uhrmacherkunst
richtig auf, und als ihre eigentlichen Väter können Simon Dilger von
Schollach und Franz Ketterer von Schönwald angesehen werden. 1740 gab
es 31 selbständige Uhrmacher. Schon war das Schlagwerk, schon die erste
Kuckucksuhr ersuudeu, bald wurden auch Figuren geschnitzt als Zierat, und
so entwickelte sich die feinere Holzschneidekunst im Gefolge der Uhr-
macherei. 1750 fingen Metallwerke die primitiven Holzwerke zu verdrängen
an, 1780 gab es Uhren mit Peudel. Allmählich hatte eine wesentliche
Arbeitsteilung Platz gegriffen zwischen Gestellmacherei, Zifferblattmalerei,
Gießerei usw., zwischen Uhrmachern, Packern oder Händlern und Hausierern.
So ging es mit Krisen und Rückschlägen langsam weiter; 1847 entstand
der Gewerbeverein für den nhrenmachenden Schwarzwald in Schönenbach,
1850 die Uhrmacherschule in Furtwangen, 1851 die Aktiengesellschaft für
Uhrenfabrikation in Lenzkirch, dem südlichsten Punkt der Uhrenindustrie
überhaupt. Seit 1856 kameu die Federregulatoren auf, dann die Weckuhren,
von denen jetzt jährlich über 2 Millionen Stück ihren Weg um die Erde
vom Schwarzwald aus antreten.
1873 waren die Uhrmacher über 92 Orte und Weiler verbreitet, mau
zählte 1429 Fabrikanten und Meister, 7526 Gehilfen. Furtwangen, das
der Mittelpunkt der ganzen Industrie geworden, zählte 1879 allein 7 7
Meister. Seit den 60er Jahren kamen zur Erleichterung der Hausindustrie
die Bestandteilsabriken aus; eine solche in Triberg liefert jährlich die Bestand-
teile für 600 000 Uhreu jeglicher Art. Neben der sehr emporgekommenen
Großindustrie hat sich die häusliche doch lebenskräftig erhalten; man kann
bei ihr die eigentlichen Uhrmacher unterscheiden, die wie seit alters her die
Uhr in der Familie von Anfang zu Ende fertig stellen; dann die Hilss-
gewerbler, nämlich Gestellmacher, Gießer, Tonfedermacher, Zeigermacher,
Schilddreher, Schildmaler, Emailleure, Lithographen, Galvaniseure, Kasten-
schreiner, Holzschnitzer, Dreher, Werkzeugmacher; endlich die Bestandteil-