1911 -
Hannover-List [u.a.]
: Carl Meyer (Gustav Prior)
- Autor: Marquardt, Rudolf
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Lehrerbildungsanstalt
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
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und Alltäglichkeit aus der Ebene mitgebracht haben — dann bedauert man,
daß man beim Eintritt in den Hof nicht auch von dem Frieden umfangen
wird, der ans früheren Stichen und Ansichten vom Odilienberg spricht.
Vi. Die Pfälzer.
(„Die Pfälzer." Ein rheinisches Volksbild von W. H. Riehl. Stuttgart und
Augsburg. I. G. Cottascher Verlag, 1857. 408 Seiten, 4 Mark, geb. 5 Mark. S. 39
bis 40, 42—43, 86—87, 111 — 112, 188—191, 235-237, 243—244, 246—247, 288
bis 289.)
(1. Einteilung der Pfalz.) Die Vorderpfalz hat den Reiz des
Stromes mit seinen heimlichen waldgrünen Auen und Inseln, den Reiz der
Ebene mit ihrer Gartenkultur des üppigsten Feldes, die tausend von der
Natur schon künstlerisch komponierten und abgerundeten Bilder der Hart-
landschast mit den malerisch buuteu Städten und Dörfern, Kirchen und
Burgen, mit den Vordergründen der Kastanien- und Nußbaumalleen, mit
dem Mittelgrunde der Rebenhügel, mit dem Abschluß der harmonischen und
doch so originellen Linienführung der Hartberge. Das gebirgige Westrich
hat die Naturspiele seiner märchenhasten Felsblöcke, seine engen, dunklen
Schluchten, den tiefschattigen Buchenwald, die unberührte Naturfrische seiner
Bmnentäler, feiner inneren Höhenzüge. Die Landschaft des hügeligen
Westrich dagegen läßt sich nicht in so einfachen Zügen zeichnen. Hier wirkt
der Reiz der Übergänge, der Mannigfaltigkeit, der Reiz nicht großer Gesamt-
bilder, sondern einzelner kleiner Szenen und Gruppen, die im einzelnen
genossen sein wollen. Liebliche Wiesengründe, stille, friedliche Waldtälchen,
Fernsichten über kahle und doch dnrch ihre schönen Formen reizvolle Hügel-
wellen, freundliche, enge Städteprospekte, malerisch schmutzige und malerisch
reinliche Dörfer, düsteres Tannendickicht und lustiger Buchenwald, Getreide-
fluren und Torfmoorniederungen wechseln miteinander. Das Ganze ist
vielleicht etwas unruhig, aber doch voller Anmut, und wenn eine persönliche
Bemerkung hier am Orte ist, so möchte ich fröhliche Wochen unter Freunden
genießen in der Vorderpfalz, einsam wandern im gebirgigen Westrich, aber
dauernd wohnen im Westricher Hügelland.
(2. Das Hügelland vor der Hart.) Mit Stolz lenkt der Pfälzer
den Blick des Fremden auf diesen gesegneten Strich vor der Hart, „wo
selbst die Bettelleute Kapitalsteuer zahlen." Was Deutschland an Obst und
Gartenfrucht Köstliches bietet, das sindet sich hier. Schon die Ortsnamen
sprechen für das Alter dieser Kultur. Da finden wir ein Nußdorf, eiuen
Birnbach und Äpfelbach, eine Kästen- (Kastanien)-bnrg, selbst Waldreviere,
die ihren Namen vom Weinban herleiten, einen Ritter Schnittlauch von der
Kästenburg, einen Ritter von Knoblauch und einen von Holzapfel. Als die
Pfälzer unter Friedrich dem Siegreichen zur Schlacht bei Seckenheim an-
rückten, hatten sie ihre Helme mit Nußlaub geschmückt, dem echten Wahr-
zeichen des Landes. Seit unvordenklicher Zeit ziehen Kähne und Schiffe
mit pfälzischen Nüssen und Kastanien befrachtet den Rhein hinab nach
Holland; in unfern Tagen aber führt das Dampfschiff selbst frische Kirschen
von der Hart nach London. Von dem köstlichen Weinwuchs brauche ich
nicht wiederholt zu reden. Die neuere Zeit hat den pfälzischen Wein wieder
zu seinen mittelalterlichen Ehren gebracht, die eine Weile fast verschollen
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