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1. Quellenlesebuch für den Unterricht in der Länder- und Völkerkunde - S. 311

1911 - Hannover-List [u.a.] : Carl Meyer (Gustav Prior)
— 311 — Oberleib, und Shawls und Echarpen^) und „Schärfchen" dazu Platz zu machen. Ich sage modern altmodisch; denn bei allem Fortschritt ist auch der städtische Modeputz der Bauern doch immer wenigstens um ein Jahr- zehnt hinter der städtischen Mode der feinen Welt zurück. Ganz besonders aber wird man am Werktage inrte, daß das kurze Wams, das Kamisol und die Schirmkappe charakteristische Kleidungsstücke der Pfälzer sind. Dem Sonntag gehört der Rock; das Kamisol ist das allgemeinste Arbeitskleid. Darum hält es der Pfälzer auch so hoch, wie er alles hoch hält, was mit der Wirtschaft zusammenhängt; denn er weiß, daß er in manchem Stück von anderen deutschen Stämmen übertroffen wird, aber im Fleiß von keinem. Wen man recht von Grund aus liebt, den liebt man „ans Rock und Kamisol", und wen man recht von Grund aus prügeln will, deu prügelt man „aus Rock und Kamisol" — im Fest- und Arbeits- kleid. Für sein Kamisol hat der Pfälzer eine fast sprichwörtliche Zärtlichkeit, wie den sprichwörtlichen Spott für beinahe jedes andere auszeichnende Kleid. Was ihm treu bleibt mit mehr als Hundetreue, das ist ihm treu wie sein Kamisol, und der rheinische Student weiß sür den Haus- und Stnbengenossen keinen traulicheren Namen, als daß er ihn sein Kamisol nennt. (7. Speise und Trank.) „Der Mensch Hot en Maage nn'nit nme- snnscht," sagt Kobell in seinen pfälzischen Gedichten, und wer die Pfalz kennt, der wird diesen Spruch in mehr als einem Sinne bedeutsam für das Land finden. An dem Glanztage pfälzischen Volkslebens, auf der Kirchweih, muß man die gewaltigen Familienkannen mit Kaffee gesehen haben, wie sie um die Tafelrunde der ganzen versammelten „Freundschaft" kreifeu, und die Berge von Knchen aller Art dazu, und am Abend die Tische voll Geflügel vom Truthahn bis zum Krammetsvogel, eiu ganzes gebratenes ornithologisches Kabinett, um zu begreifen, daß man in diesem gesegneten Lande seinen Magen allerdings nicht umsonst hat, und um es glaublich zu finden, daß manche pfälzische Familie für einen einzigen Kirchweihtag 50 bis 80 Pfund Fleisch braucht. Der Pfälzer hält viel auf Essen und Trinken; aber es muß fein und mannigfaltig fein. Wenn der steinreiche niederbayerische Getreidebaner auf der Schranne^) seine Korn- säcke gegen einen gewichtigen Silbersack ausgetauscht hat und übermütig wird, dann kocht er sich mit seinen Freunden einen großen Punsch im Waschkessel oder trinkt Champagner aus Maßkrügen und hinterdrein Kaffee aus Seideln. Solche Völlerei verachtet der reiche pfälzische Weinbauer; er will eine ausgesuchte, herrschaftliche Tafel, wenn es bei ihm hoch her- gehen soll. Nicht vergebens ragt sein Land vor allen in Deutschland hervor durch die Fülle, Mannigfaltigkeit und Feinheit feiner eßbaren Naturprodukte; nicht bedeutungslos war es, daß auf der deutschen Industrie- ausstellung zu München die große Denkmünze an pfälzische Aussteller vor allem für die feinsten Delikatessen verliehen wurde, für eingemachte und kandierte Früchte, edle Weine, kunstreich bereitete Schaumweine, dazu auch für Zigarren und Tabake. . . Bei den „Kleinen" im Westrich sieht es freilich anders aus. Man braucht nur in so manches arme, abgelegene Dorf im Innern des Gebirgs ') frz. Schärpe — Schärpe. 2) Verkaufsstelle, Getreidemarkt,
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