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1. Quellenlesebuch für den Unterricht in der Länder- und Völkerkunde - S. 313

1911 - Hannover-List [u.a.] : Carl Meyer (Gustav Prior)
— 313 — Eine frohe Zeit ist im Herbst die Zeit der Lese. Dann entfaltet sich in den Weinorten Rheinlands ein lustiges Leben und Treiben. Wenn auch unser heutiges Geschlecht mit manchen schönen alten Sitten gebrochen hat, so ist doch die frohe Stimmung dieser Zeit geblieben. Sie kommt besonders dann zur Geltung, wenn die Weinstöcke einen guten Behang haben, und wenn neben einem gnten Ertrag — der Winzer redet von einem halben oder dreiviertel Herbst — auch eine gute Qualität zu erwarten ist. Mit solcher Ernte ist der Winzer wohl zufrieden; kennt er doch all die Feinde, die die- selbe hätten vernichten können, die Tücken der Witterung, die Plageu der Insekten und die Pilzkrankheiten. Helle Freude lacht aus seinem Auge, wenn er sieht, wie uuter der Kraft der kochenden Sonne in den Beeren der Trauben der Saft anfängt in Wein überzugehen. Er merkts an dem Dnrch- sichtigwerden der Beeren. Die Gemeindeväter bestimmen jetzt die Schließung der Weinberge. Selbst der Besitzer darf sie nicht mehr betreten. Während des ganzen Tages geben die Hüter der Weinberge scharf acht. Endlich sind die Trauben völlig reif. Der Beginn der Lese wird öffentlich bekannt gemacht. Böllerschüsse künden den bedeutungsvollen Tag an, und Glockenklang läutet ihn feierlich ein. So ist es wenigstens noch in vielen Rheinorten. Mit Jubel im Herzen steigt das Winzervölkchen hinauf in die Wein- berge. Die Sonne hat die Herbstnebel zerstreut, und herrlich blickts sich hinab in das liebliche Rheintal. Dort unten liegt das Heimatörtchen, so traut gebettet am Ufer des blinkenden Stromes und umgeben von den Gruppen der Obstbäume. Dort das Kirchlein mit dem alten, moosigen Schieferdache. Selbst das eigene Wohnhäuschen ist zu sehen. Bald sind schon die ersten Tragkörbe voll Trauben gepflückt. Die starken Burschen tragen sie hinab. Dort unten hält auf dem Wege ein Ochsengespann. Große Bottiche stehen auf dem Wagen, die die süße Last aufnehmen sollen. Wie flink fpringen die Burschen die vielen Stufen des Bergpfades hinab! Voll Lust schwenken sie die Mützen, nach oben und nach unten grüßend. Dort oben aber, bei der Lese, sind die Mädchen bald in fröhlicher Stimmung. Das Tal erklingt von frohen Weisen, bis ein Scherzwort alle zum Lachen bringt und den Gesang verstummen macht. Anch in dem Kelterraum der Winzerhäuser herrscht geschäftiges Leben. Die ankommenden Bottiche werden in die Presse geleert. Schon fließt der Traubensaft, der süße Most heraus. Wie herrlich er schmeckt! Die Oechsle'sche Wage zeigt ein hohes Mostgewicht an. Das gibt ein Weinchen! so schmunzelt der Alte, der von vielen guten Weinjahren, doch auch von schlechten zu erzähleu weiß. Nach etwa acht Tagen fängt der Most an zu gären. Er verliert seinen süßen Geschmack und nimmt einen bitteren an. Zugleich wird feine Farbe milchig trübe. Der erfahrene Winzer weiß fchon am Federweißen, wie der Most jetzt heißt, heranszuschmecken, wie der spätere Wein wird. Mit der fortschreitenden Gärung entsteht aus dem Federweißen der junge Wein. Erst nachdem dieser geklärt ist und genug gelagert hat, kommt er in den Handel. Im Frühjahr beginnen die Weinhändler, die Wirte, die Kasinos ihre Weineinkäufe zu machen, und in manchen Weinorten, wie in Bingen, Mainz, Rüdesheim, Kloster Eberbach, Kreuznach, Koblenz und namentlich Trier finden dann öffentliche Weinversteigeruugeu statt. Daun
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