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1. Quellenlesebuch für den Unterricht in der Länder- und Völkerkunde - S. 332

1911 - Hannover-List [u.a.] : Carl Meyer (Gustav Prior)
— 332 — gezackten Blätter, spielend flimmern hin und her die lustigen Sonnen- strahlen, die sinnigen Kräutlein erzählen sich grüne Märchen, es ist alles wie verzaubert, es wird immer heimlicher und heimlicher, eiu uralter Traum wird lebendig, die Geliebte erscheint — ach, daß sie so schnell wieder verschwindet! Je höher man den Berg hinaufsteigt, desto kürzer, zwerghafter werden die Tannen; sie scheinen immer mehr und mehr zusammenzuschrumpfen, bis nur Heidelbeer- und Rotbeersträucher und Bergkräuter übrig bleiben. Da wird es auch schon fühlbar kälter. Tie wunderlichen Gruppen der Granit- blocke werden hier recht sichtbar; diese sind oft von erstaunlicher Größe. Das mögen wohl die Spielbälle sein, die sich die bösen Geister einander zuwerfen in der Walpurgisnacht, wenn hier die Hexen anf Besenstielen und Mist- gabeln einhergeritten kommen und die abenteuerlich verruchte Lust beginnt, wie die glaubhaste Amme es erzählt, und wie es zu schauen ist ans den hübschen Faustbildern des Meisters Retzsch . . . In der Tat, wenn man die obere Hälfte des Brockens besteigt, kann man sich nicht erwehren, an die ergötzlichen Blocksberggeschichten zu denken und besouders an die große mystische deutsche Nationaltragödie vom Doktor Faust. Mir war immer, als ob der Pferdefuß neben mir hinanf klettre und jemand humoristisch Atem schöpfe. Uud ich glaube, auch Mephisto muß mit Mühe Atem holen, wenn er seinen Lieblingsberg ersteigt; es ist ein äußerst erschöpfender Weg, und ich war froh, als ich endlich das lang- ersehnte Brockenhaus zu Gesicht bekam. Dieses Haus, das, wie durch vielfache Abbildungen bekannt ist, bloß aus einem Parterre besteht und auf der Spitze des Berges liegt, wurde erst 1800 vom Grafen Stolberg-Wernigerode erbaut, für dessen Rechnung es auch als Wirtshaus verwaltet wird. Die Mauern sind erstaunlich dick, wegen des Windes und der Kälte im Winter; das Dach ist niedrig; in der Mitte desselben steht eine turmartige Warte1), und bei dem Hause liegen noch zwei kleine Nebengebände, wovon das eine in frühern Zeiten den Brockenbesuchern zum Obdach diente. Der Eintritt in das Brockenhaus erregte bei mir eine etwas ungewöhn- liche, märchenhafte Empfindung. Man ist uach einem langen, einsamen Umhersteigen dnrch Tannen und Klippen plötzlich in ein Wolkeuhaus ver- setzt. Städte, Berge und Wälder blieben unten liegen, und oben findet man eine wunderlich zusammengesetzte, fremde Gesellschaft, von welcher man, wie es an dergleichen Orten natürlich ist, fast wie ein erwarteter Genosse, halb neugierig und halb gleichgiltig, empfangen wird. Ich fand das Hans voller Gäste, und, wie es einem klugen Manne ziemt, dachte ich schon an die Nacht, an die Unbehaglichkeit eines Strohlagers; mit hinsterbender Stimme ver- langte ich gleich Tee, und der Herr Brockenwirt war vernünftig genug, ein- zusehen, daß ich kranker Mensch für die Nacht ein ordentliches Bett haben müsse. Dieses verschaffte er mir in einem engen Zimmerchen, wo schon ein junger Kaufmann, ein langes Brechpulver iu einem braunen Oberrock, sich etabliert hatte. (3. Abstieg vom Brocken ins Jlsetal.) Das ging über Hals und Kops. Hallesche Studenten marschieren schneller als die österreichische Land- • i) Heute steht ein besonderer Aussichtsturm vor dem Hause.
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