Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Quellenlesebuch für den Unterricht in der Länder- und Völkerkunde - S. 353

1911 - Hannover-List [u.a.] : Carl Meyer (Gustav Prior)
— 353 — macht, vor allem aber bei lang anhaltender Dürre eines heißen Sommers, steigert sich die Not in diesen Gegenden oft zu einer wahrhast betrübenden Höhe. Weit umher ist dann oft kein Glas genießbaren Wassers zu finden, das Vieh rennt, vom furchtbarsten Durste geplagt, blökend im Felde umher, alle Gräben sind ausgetrocknet oder zu stinkenden Pfützen geworden, alles Wasser in den Zisternen ist faul und trübe und kaum zum Essen und Kochen tauglich. Mehrere Stunden weit wird zwar täglich frisches Wasser auf Wagen angefahren, aber wie wenig ist das bei solchem Mangel! Endlich kommen noch zu der allgemeinen Not die verheerenden Sumpf- und Gallenfieber, die, herbeigeführt durch Genuß und Ausdünstung des stagnierenden Wassers, wahrhaft pestartig wüten. Der Bewohner dieser Marschen kommt zuzeiten wohl in ähnliche Lagen wie der Seemauu. In dem Augenblicke, wo er mit den wilden Fluten kämpft, die ihn zu begraben drohen, dürstet er vielleicht nach einem Schluck frischen Wassers, seine Zunge zu beseuchteu. Ungleich glücklicher sind in dieser Hinsicht jene Marschen, bei denen noch die Flüsse süßes Wasser sühren, welches man, wenn auch das Wasser der Gräbeu und Brunnen verderben sollte, durch Schleusen ins.land zu führen vermag. Solchen unberechenbaren Vorzug besitzen zum Beispiel das Stedinger- und Stadland, Osterstade, Land Wührden und das Alte Land. Eine zweite Schattenseite der Marschländer ist die schnelle Erweichung ihres Bodens. Im Gegensatze zu Sand- und Lehmboden nennt man den der Marschen Klei, welches Wort mit dem englischen clay (Ton) die näm- liche Abstammung und Bedeutung besitzt. Im Sommer und überhaupt bei trocknem Wetter wird der Kleiboden sehr fest, hart, zieht sich zusammen und erhält dadurch nach allen Richtungen hin starke Risse, die oft mehr als einen Fuß in die Tiefe hinab sich erstrecken. Wenige Regentage dagegen sind hinreichend, den Kleiboden in völligen Schlamm aufzulösen. Im Sommer sind daher die Wege in den Marschen außerordentlich hart, eben und in jeder Hinsicht ausgezeichnet, so daß sie den besten Kunst- straßen nicht nur nicht nachstehen, sondern dieselben sogar übertreffen. Im nassen Herbst und Winter hingegen befinden sich jene in einem Zustande, von dem es schwer ist, sich einen Begriff zu machen, so daß der Fremde, welcher die Wege nnr im Sommer gesehen, es kaum glauben wird, daß es noch dieselben sind. Regnet es stark, so erweichen alle Straßen zu einem grauen flüssigen Brei, der beim Reiten und Fahren unaufhörlich in die Höhe spritzt, und in welchem der Fußgänger bis über die Knöchel einsinkt. Regnet es weniger, so ist es noch schlimmer; alsdann wird der Boden ein äußerst zäher, steifer und biudiger Teig, welcher sich dem Wanderer schwer an die Füße hängt und den Fuhrwerkeu die Räder füllt, so daß man sich nur ganz langsam und mit größter Anstrengung hindurcharbeiten kann. Die schlechten Wege erschweren mithin die Verbindung der Marsch- dörser und Höfe ungemein, nicht minder die Kommunikation mit der Geest, und so geschieht es, daß die Marschen oft den ganzen Winter hindurch von keinem Fremden betreten werden, ja einzelne Höfe oft so isoliert und weuig besucht sind, als lägen sie auf unzugänglichen Inseln im Meere. Diese Verkehrserschwerung mag wesentlich beigetragen haben, Sitten und Charakter der Marschbewohner so rein und frei von äußeren Einflüssen zu bewahren. Äußerst spät begannen die Marschen ihren Verkehr durch Anlegung Marquardt, Quellenlesebuch. 23
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer