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1. Quellenlesebuch für den Unterricht in der Länder- und Völkerkunde - S. 362

1911 - Hannover-List [u.a.] : Carl Meyer (Gustav Prior)
— 362 — ober durch Villenbau in irgendeiner Kolonie sich das Familienhaus retten und seinen Geschmack, wenn er welchen hat, oder den seines Architekten daran erweisen. So entstanden auch schon vor Jahrzehnten gleich außerhalb des engeren Weichbildes der Stadt nicht wenige Villenviertel, und zwar, wegen der Nähe des Tiergartens und später auch wegen der des Grunewaldes, vorzüglich im Westen; allmählich jedoch, sie verdrängend, rückte die Miet- stadt nach, und zwar im Westen wiederum mit vornehmen und teuren Straßen, während der Osten und besonders der Norden den Ärmeren und der unangenehmen Nachbarin, der Industrie, zufielen und die Villen sich ringsum in die Wälder und Felder zurückzogen. Das Zentrum aber, das alte Köllu-Berliu, beginnt allmählich sich zu entvölkern: seine Häuser ver- waudeln sich vom Keller bis zum Speicher in Läden, Magazine, Speditions- und Fabrikräume, die bei Tage vom Menschengetriebe überfüllt sind, während zur Nacht die Besitzer nach der einen, die Arbeiter nach der andern Seite aus ihnen auswandern und nur die Wächter am Orte verbleiben. (3. Verkehrs leben.) Gesteigert wird dieser große Eindruck nnn noch durch die imposanten Mittel des Verkehrs, die sich allenthalben dem Berliner darbieten. Ein starker Verkehr bedeutet hochentwickelte Arbeit, nur ausge- uommeu natürlich der, der an Orten und zu Zeiten stattfindet, da man sich erholt oder Außergewöhnliches vor sich geht; und zu dem Bilde der Bauten von Berlin gehören unbedingt die Anlagen, die seinen Verkehr bewältigen. Wenn in frühester Zeit die Reisenden und die Warenballen entweder auf dem Rücken von Lasttieren herankamen oder auf der Spree, die wohl uoch der bequemste Trausportweg war, dahersuhren, und im Innern der Städte nur selten ein Pferd und kaum jemals ein Wagen sich zeigte, wenn auch iu späteren Jahrhunderten nnr wenige feste Straßen Berlin mit der Außen- welt verbanden, und wer den Gassenschmutz vermeiden wollte, sich der Sänfte bediente, Karossen und Reitpferde aber den Staudespersouen und Offizieren überließ, so dringen jetzt nicht weniger als elf Hauptlinien der Eisenbahn von allen Seiten in die Weltstadt ein, münden in ungeheuren, weitverzweigten Bahnhofsbauten und vermitteln, wie der doppelte Kreislauf des Blutes in nnserm Körper, das ununterbrochene Zu- und Abströmen srischer Kräfte und unermeßlicher Werte aus der ganzen Welt und in sie hinein; und sie werden ergänzt dnrch die zwar immer noch schwerfällige, aber keines- wegs unbedeutende Schiffahrt auf der Spree und den beiden großen Kanälen, dem Landwehr- und dem Schifsahrtkanal, die im Nord- und im Humboldt- Hasen ihre Ruhepunkte hat. Im Innern der Stadt jedoch und für die Verbindung mit den Vororten genügen die Stadt- und die Ringbahnen, die hundert elektrischen Linien und die zehntausend Droschken nun auch nicht mehr, um den Verkehr zu bewältigen, und die Fahrbahnen der wichtigsten Strecken werden verdreifacht, indem man ein Stockwerk über ihnen und kellertief unter der Erde neue Wege eröffnet. Selbst damit ist es noch nicht genug: das Wort, der Gedanke kann längst dnrch Telegraph und Telephon, die Rohrpost und den Briefboten überholend, in Augenblicken feine Wirkung tun und weltbewegend in den Verkehr eingreifen. Die Summe vou Scharf- sinn, Wissen, Geschick, Kapital und Leistung, die in allen diesen Einrichtungen dem Verkehr dient, läßt auch von ihr aus auf deu Umfang der produktiven Arbeit in Berlin schließen, von der der Verkehr ja nur eine Begleit- und Folgeerscheinung ist.
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